Full text: [Teil 2 = Quinta, [Schülerband]] (Teil 2 = Quinta, [Schülerband])

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endlichen Regen sich ergiessen und löschte damit den gewaltigen 
Brand, der die ganze Erde versengt hatte. 
Helios hatte mit eigenen Augen das traurige Ende seines 
Sohnes mit ansehen müssen und in tiefem Schmerz sein gött¬ 
liches Haupt verhüllt. Doch musste er sich bald aus seiner Trauer 
ausrasten, um die flüchtigen Sonnenrosse wieder einzufangen und 
mit starker Hand ihre Wildheit zu händigen. Phaethons Mutter 
aber, Klymene, suchte trostlos seinen Leichnam, bis sie endlich im 
fernen Westen an den Ufern des Eridanus die Stelle fand, wo 
ihn mitleidige Nymphen bestattet hatten. Mit ihr klagten an 
dem Grabe ihre Töchter, die Heliaden, und gaben sich so dem 
Schmerz über den Verlust des geliebten Bruders hin, dass Zeus 
sich endlich ihres Jammers erbarmte und sie in Pappeln ver¬ 
wandelte. 
Fortan dringen ihre Thränen aus der Rinde dieser Bäume 
hervor, und im Strahl der Sonne gerinnen sie zu Bernstein. 
Dieser fällt von den Zweigen herab in den Strom Eridanus, wel¬ 
cher seitdem reiche Ausbeute an Bernstein gewährt zum kost¬ 
baren Schmucke sterblicher Frauen. Nach Stell. 
33. O-ipus. 
In der berühmten siebenthorigen Stadt Theben herrschte einst der 
König La'ios. Lange Zeit blieb seine Ehe mit Jokaste kinderlos, und 
voll sehnlichen Verlangens nach einem Sohne, dem er einst den Thron 
hinterlassen könnte, wandte er sich an das Orakel zu Delphi. Dieses 
antwortete ihm: „O König, du erflehst dir Kindersegen. Nun wohl, dir 
wird ein Sohn geboren werden; aber es ist dir vom Schicksal bestimmt, 
durch deines Sohnes Hand das Leben zu verlieren." 
Der König und seine Gemahlin waren sehr betrübt über diese 
Weissagung, und als ihnen wirklich nach einiger Zeit ein Söhnlein 
geboren wurde, waren sie nur darauf bedacht, sich seiner wieder zu 
entledigen, um der Erfüllung des unheilvollen Orakelspruches zu ent¬ 
gehen. Ein Hirt, der in des Königs Diensten stand, erhielt den Befehl, 
den Knaben, welchem die Füße durchstochen und zusammengebunden 
wurden, in dem rauhen Gebirge Kithäron auszusetzen, damit er dort 
umkomme. Als der Hirt auf dem Gebirge angekommen war, regte sich 
in ihm das Mitleid mit dem unschuldigen Königskinde, und er beredete 
daher einen andern Hirten, welcher auf den Abhängen des Gebirges 
die Herden des Königs Polybos von Korinth weidete, daß er das 
Knäblein nehme und pflege.
	        
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