Allein Gott der Herr plagte ihn bald, daß die Mäuse Tag und
Nacht über ihn liefen und an ihm fraßen und er sich mit aller seiner
Gewalt nicht wider sie zu bewahren vermochte. Da wußte er endlich
keinen andern Rat, als daß er einen Turm bei Bingen mitten in den
Rhein bauen ließ, der noch heutigestags zu sehen ist. Daselbst meinte
er sicher zu sein; aber die Mäuse schwammen durch den Strom heran,
erklommen den Turm und fraßen den Bischof lebendig auf.
33. Die tapfere Besatzung von Raub. von Karl Reitel.
Sagen und Geschichten des Rheintals von Mainz bis Cöln. Bonn 1904. 8. 87.
Um Kaub ziehen sich noch die alten Ringmauern, wenn auch hier
und da unterbrochen, und mitten im Ort stehen noch einzelne
Wachttürme mit dicken Mauern und unregelmäßig angebrachten, einst zu
Schießscharten dienenden Fenstern. Von einem dieser Türme erzählt
man sich folgende Sage.
Als in den ersten Jahren des Dreißigjährigen Krieges spanische
Scharen das Rheinland verwüsteten, kam auch eine Abteilung Spanier
gen Kaub und eroberte es in wenig Tagen, da der Kommandant, wie
das ja öfter so geht, rasche Übergabe einer langen Belagerung vorzog.
Nur einer der Türme, der mitten in der Stadt sich erhob, wurde nicht
geöffnet. Vergebens waren alle Aufforderungen des Feindes, sich auf
Gnade oder Ungnade zu ergeben; die kleine Besatzung hielt tapfer stand,
und mancher Spanier verlor durch wohlgezielte Schüsse aus den Schie߬
scharten des Turmes sein Leben. Von Zeit zu Zeit erschienen über der
Brüstung oben, vorsichtig spähend, einige Köpfe, aber man konnte gegen
die tapferen Verteidiger nichts ausrichten. Stürmen konnte man nicht,
denn diese Türme haben ihre Eingangstür zwanzig und mehr Fuß über
dem Erdboden. Da mußte man Leitern anlegen; und ehe es dahin kam,
schossen die von oben die Leiteranleger einzeln tot. Die Spanier hatten
auch keine schweren Geschütze, und so blieb vier Wochen lang alles
unverändert. Der Feind war zwar im Besitze der Stadt, allein dieser
Besitz war immerhin unvollständig, denn jeder vermied die Nähe des
verhängnisvollen Turmes, schlich sich auf Umwegen um ihn herum oder
schaute ängstlich von ferne hinüber.
Endlich, nach vier Wochen, erschien eine weiße Fahne am Turm,
das Zeichen, daß man unterhandeln wolle. Eine Trompete schmetterte,
und als man durch Gegenzeichen zu verstehen gab, daß man zu Ver¬
handlungen geneigt sei, erschien ein bärtiger Krieger oben an den Zinnen,
während gleichzeitig die drohend aus den Mauerluken ragenden Musketen¬
läufe verschwanden. Die Besatzung erklärte sich bereit, den Turm zu
übergeben, jedoch nur, wenn ihr freier Abzug gestattet würde. Der
Besitz des Turmes war zu wichtig, und darum, wie auch in Anbetracht
Porger»Lemp, Lesehuch. HI. 4