Full text: [Teil 4 = 5. Schulj, [Schülerband]] (Teil 4 = 5. Schulj, [Schülerband])

„Vater, wir sind so hungrig!" Das hört ein Vater gern, wenn er 
Brot genug hat und etwas dazu! Aber wie schneidet das ins Herz, 
wenn keins da ist! Und just so ging's dem armen Kolbheim oft genug. 
Das Betteln verstand er nicht; aber er verstand, Schuhe zu flicken, 
Kochlöffel zu schnitzen und Besen zu binden und solcher kleinen Künste 
mehr, und tat's so fleißig, daß er sich kümmerlich mit seinen Kindern 
durchbrachte — aber es kam doch mancher „lange Tag." 
Der Kolbheim hatte einen recht guten Freund, der hieß Volkmann, 
war auch ein Witwer wie er und hatte sieben unerzogne Kinder. 
„Gleich und gleich gesellt sich gern", heißt's im Sprichworte und: „Das 
Unglück ist der beste Leim." Der Volkmann und seine Kinder hatten 
auch der Fasttage so viele, daß sie schier die schwere Kunst bald gelernt 
hätten, wenn nicht das Lehrgeld gar zu schwer wäre. Beide Leidens¬ 
brüder waren ein Herz und eine Seele. Da sagt der Volkmann zu 
seinem Freund Kolbheim: „Ich ziehe nach Lauterberg ins Hannoversche; 
dort ist mehr Verdienst." Gesagt, getan — und der Hausrat kostete 
nicht viel Fracht. Der Kolbheim wünscht ihm alles, was ihm heil¬ 
bringend sein kann; aber der Arme fand's in Lauterberg nicht, denn er 
erkrankte und starb, und die hungernden Kindlein schickten die von 
Lauterberg hin, wo sie hergekommen. Die Bauern im Dorfe dachten: 
„Was mich nicht brennt, das blas' ich nicht!" und ließen die hungernden 
Waisen laufen. Dachte auch der blutarme Kolbheim so? Nein, sondern 
der nahm die sieben Waisen seines Freundes in seine kleine Hütte zu 
seinen dreien, sah mit einer heißen Träne gen Himmel und seufzte: 
„Herr, der du mit wenigen Broten Tausende gespeist hast, hilf und 
verlaß mich nicht!" 
Wenn die Not am größten, ist Gott am nächsten! Das, was 
Kolbheim getan, wurde der preußischen Regierung in Erfurt bekannt, 
und die sandte ihm 40 Taler zur ersten Hilfe; ein frommer Mann 
sandte heimlich 10 Taler. Und der fromme Preußenkönig Friedrich 
Wilhelm III. hörte es auch; der sandte dem guten Kolbheim ein Ka¬ 
pitälchen, daß er sich ein Feldgiitchen kaufen konnte, und eins der Volk- 
mannschen Kinder kam ins Waisenhaus nach Halle, das der fromme 
Francke gestiftet hat, der auch nicht sagte: „Was mich nicht brennt, 
das blaj ich nicht!" W. O. von Horn (Wilhelm Oertel). 
24-0. Oer Bildichnifjer und das Geifjhirflein. 
Fuß einer mit Ginster und anderm Strauchwerk bewachsnen 
Bergwand stand ein alter Birnbaum, und nicht weit davon rann aus
	        
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