Full text: Für die unteren Klassen (Bd. 1, [Schülerband])

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brausen sie alle, die Gerüchte von Sieges- und Heldentaten der Tapfern, 
der Männer und Brüder. Und wie großartig und übertrieben sie 
manchem klingen, sie werden dennoch beinahe übertroffen von der wahren 
und wirklichen Kunde, die der alte Lehrer mit der Hornbrille laut 
und vernehmlich vorliest, so oft wieder ein neuer Sieg errungen ist. 
Heute sind nicht bloß Mädchen und Frauen am Brunnen ver¬ 
sammelt, nein, auch Männer und Burschen genug. Sie kommen noch 
herbeigelaufen aus den Türen, Alte und Junge, selbst Lahme und 
Krüppel; denn hoch oben auf der Tonne, beinahe in gleicher Höhe 
mit dem heiligen Georg da droben aus dem Brunnensteine, steht wieder 
der Lehrer und liest mit weitschallender Stimme: 
„An Ihre Majestät, die Königin Augusta in Berlin: Vor Sedan, 
den 2. September. 1'/, nachmittags. — Die Kapitulation, wodurch 
die ganze Armee in Sedan kriegsgefangen, ist soeben mit General 
Wimpffen geschlossen, der an Stelle des verwundeten Mac Mahon das 
Kommando führte. — Der Kaiser hat nur sich selbst mir übergeben, 
da er das Kommando nicht führt und alles der Regentschaft in Paris 
überläßt. — Seinen Aufenthalt werde ich bestimmen, nachdem ich ihn 
gesprochen habe in einem Rendezvous, das sofort stattfindet. — Welch 
eine Wendung durch Gottes Führung! — Wilhelm." 
So las der Lehrer. Da war's zuerst ganz still über der Ver¬ 
sammlung; nur der Brunnen rauschte im beifälligsten Gemurmel. 
Aber jetzt bricht's um so lauter los, die Weiber mit den Männern, 
ein allstimmiger Jubelruf. Die Buben schreien: Napolium gefangen! 
Die Mädchen schreien: Die Franzosen sind alle geworden! — Die 
Besonnenen wollen's noch einmal hören; es ist zu groß und zu köstlich, 
dies teure Königswort; man kann sich gar nicht satt daran hören, so 
echt königlich, weil es so demütig, so gläubig ist. Da werden Augen 
feucht, die es lange nicht geworden. Da wallen Herzen auf. die sonst 
nichts aus der alltäglichen Ruhe bringt. 
„Kinder." ruft der alte Lehrer, „Kinder, die Hüte herunter! 
Zuerst Gott die Ehre!" und nun stimmt er an: „Nun danket alle 
Gott!" und sie stimmen alle ein. Das ist ein Singen und Klingen 
aus tiefster Brust. Und der Brunnen rauscht dazu wie Orgelton, 
und ein Vogel hoch oben in der Linde schmettert drein wie der 
Zimbelstern, wenn sie in der Kirche singen: „Wie schön leuchtet der 
Morgenstern." 
„Kinder," hebt der Lehrer wieder an, „zuerst dem himmlischen 
und nun dem irdischen Könige die Ehre! Dem Teuren und Einzigen,
	        
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