Full text: Deutsche Dichtung des 18. Jahrhunderts (Band 2, [Schülerband])

Rabener 
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Rabeners Persönlichkeit wird nicht leicht wieder erscheinen. Als tüch— 
tiger, genauer Geschäftsmann tut er seine Pflicht und erwirbt sich dadurch 
die gute Meinung seiner Mitbürger und das Vertrauen seiner Obern; 
nebenher überläßt er sich zur Erholung einer heitern Nichtachtung alles 
dessen, was ihn zunächst umgibt. Pedantische Gelehrte, eitle Jünglinge, 
jede Art von Beschränktheit und Dünkel bescherzt er mehr, als daß er 
sie bespottete, und selbst sein Spott drückt keine Verachtung aus. Ebenso 
spaßt er über seinen eigenen Zustand, über sein Unglück, sein Ceben und 
seinen Tod. 
Die Art, wie dieser Schriftsteller seine Gegenstände behandelt, hat 
wenig Asthetisches. In den äußern Formen ist er zwar mannigfaltig 
genug; aber durchaus bedient er sich der direkten Ironie zu viel, daß er 
nämlich das Tadelnswürdige lobt und das Cobenswürdige tadelt, welches 
rednerische Mittel nur höchst selten angewendet werden sollte; denn auf 
die Dauer fällt es einsichtigen Menschen verdrießlich; die schwachen macht 
es irre und behagt freilich der großen Mittelklasse, welche, ohne be— 
sonderen Geistesaufwand, sich klüger dünken kann als andre. Was er 
aber und wie er es auch vorbringt, zeugt von seiner Rechtlichkeit, Heiter⸗ 
keit und Gleichmütigkeit, wodurch wir uns immer eingenommen fühlen; der 
unbegrenzte Beifall seiner Zeit war eine Folge solcher sittlicher Vorzüge. 
Daß man zu seinen allgemeinen Schilderungen Musterbilder suchte 
und fand, war natürlich; daß einzelne sich über ihn beschwerten, folgte 
daraus; seine allzu langen Verteidigungen, daß seine Satire keine per— 
sönliche sei, zeugen von dem Verdruß, den man ihm erregt hat. Einige 
seiner Briefe setzen ihm als Menschen und Schriftsteller den Kranz auf. 
Das vertrauliche Schreiben, worin er die Dresdener Belagerung schildert, 
wie er sein Haus, seine Habseligkeiten, seine Schriften und Perücken 
verliert, ohne auch im mindesten seinen Gleichmut erschüttert, seine Heiter— 
keit getrübt zu sehen, ist höchst schähengwert, ob inm aleich seine Zeit— 
und Stadtgenossen diese glückliche Gemütsart nicht verzeihen konnten. 
Der Brief, wo er von der Abnahme seiner Kräfte, von seinem nahen 
Tode spricht, ist äußerst respektabel und Rabener verdient, von allen 
heitern, verständigen, in die irdischen Ereignisse froh ergebenen Menschen 
als Heiliger verehrt zu werden. 
Ungern reiße ich mich von ihm los; nur das bemerke ich noch: seine 
Satire bezieht sich durchaus auf den Mittelstand; er läßt hie und da 
vbermerken, daß er die höheren Stände auch wohl kenne, es aber nicht 
für rätlich halte sie zu berühren. Man kann sagen, daß er keinen Nach— 
folger gehabt, daß sich niemand gefunden, der sich ihm gleich oder 
ähnlich hätte halten dürfen. „Aus meinem Leben“ von Goethe.
	        
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