Empor die Herzen!
hinter sich haben, gehen langsameren Schrittes. Erwarte nichts vom
Treiben und den Treibern, und wo Geräusch auf der Gassen ist, da gehe
fürbaß. —
Wenn dich jemand will Weisheit lehren, da siehe in sein Angesicht.
Dünket er sich noch, und sei er noch so gelehrt und noch so berühmt, laß
ihn und gehe seiner Kundschaft müßig. Was einer nicht hat, das kann er
auch nicht geben. Und der ist nicht frei, der da will tun können, was er
will; sondern der ist frei, der da wollen kann, was er tun soll. Und der
ist nicht weise, der sich dünket, daß er wisse; sondern der ist weise, der seiner
Unwissenheit inne geworden und durch die Sache des Dünkels genesen ist.
Was im Hirn ist, das ist im Hirn; und Existenz ist die erste aller
Eigenschaften.
Wenn es dir um Weisheit zu tun ist, so suche sie und nicht das Deine
und brich deinen Willen und erwarte geduldig die Folgen.
Denke oft an heilige Dinge und sei gewiß, daß es nicht ohne Vorteil
für dich abgehe und der Sauerteig den ganzen Teig durchsäure. Ver¬
achte keine Religion; denn sie ist dem Geist gemeint und du weißt nicht,
was unter unansehnlichen Bildern verborgen sein könne. Es ist leicht zu
verachten, Sohn, und verstehen ist viel besser. Lehre nicht andere, bis
du selbst gelehrt bist.
Nimm dich der Wahrheit an, wenn du kannst, und laß dich gerne ihret¬
halben fassen; doch wisse, daß deine Sache nicht die Sache der Wahr¬
heit ist, und hüte, daß sie nicht ineinander fließen, sonst hast du deinen
Lohn dahin.
Tue das Gute vor dich hin und bekümmere dich nicht, was daraus
werden wird. Wolle nur einerlei, und das wolle von Herzen!
Sorge für deinen Leib, doch nicht so, als wenn er deine Seele wäre.
Gehorche der Obrigkeit und laß die andern über sie streiten.
Sei rechtschaffen gegen jedermann, doch vertraue dich schwerlich.
Mische dich nicht in fremde Dinge, aber die deinigen tue mit Fleiß.
Schmeichle niemand und laß dir nicht schmeicheln!
Ehre einen jeden nach seinem Stande und laß ihn sich schämen,
wenn er's nicht verdient.
Werde niemand nichts schuldig; doch sei zuvorkommend, als ob sie
alle deine Gläubiger wären.
Wolle nicht immer großmütig sein, aber gerecht sei immer!
Mache niemand graue Haare; doch wenn du recht tust, hast du um
die Haare nicht zu sorgen.
Mißtraue der Gestikulation und gebärde dich recht und schlecht!
Hilf und gib gern, wenn du hast, und dünke dich darum nicht mehr;
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