76. Die junge Mutter. 77. Wiegenlieder.
g. „Als ich Abschied nahm, als ich Abschied nahm,
Waren Kisten und Kasten schwer;
Als ich wiederkam, als ich wiederkam,
War alles leer.“
Komp, von C. Banck; L. U. Köhler; R. Radecke. Friedrich Rück er t.
76. Die junge Mutter.
1. Der Knabe weint, die Mutter legt
Den holden Liebling auf die Kissen;
Doch er, vom Weinen aufgeregt,
Will nichts von Rast und Schlummer
wissen.
2. Da singt die Mutter Lied um Lied,
Und immer süßer wird die Weise
Und um das kleine Bettchen zieht
Der Schlummer seine Zauberkreise.
3. Und wie die Weise sanft ver¬
klingt,
Wird immer leiser auch das Weinen,
Bis am geschlossenen Auge blinkt
Die stumme Träne nur dem Kleinen.
4. Bald spiegelt auch ein lichter Traum
Sich in den klaren Zügen wider,
Die Mutter aber atmet kaum
Und beugt sich zu dem Liebling nieder;
5. Mit scheuem Finger hüllt sie dicht
Den Schläfer in die warmen Decken,
Sie möcht' ihn küssen, wagt es nicht
Aus Furcht ihn mit dem Kuß zu
wecken.
6. Sie blickt ihn lange selig an
Und geht dann fort und kehret wieder
Und tut, was sie nicht lassen kann,
Und beugt sich küssend zu ihm nieder;
7. Und sinkt, vom Dankgefühl durchweht,
Auf ihre Knie am kleinen Bette
Und spricht ein inniges Gebet
Und sucht dann selbst die Schlummerstätte.
Julius Sturm.
77. Wiegenlieder.
1.
i. Singet leise, leise, leise,
Singt ein flüsternd Wiegenlied,
Von dem Monde lernt die Weise,
Der so still am Himmel zieht.
2. Singt ein Lied so süß gelinde,
Wie die Quellen auf den Kieseln,
Wie die Bienen um die Linde
Summen, murmeln, flüstern, rieseln.
Clemens Brentano.
Z. 115 €