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Annette von Droste-Hülshoff.
4. Dort der Anger — und dort am
Hang
Die einsam weidende Stute,
Langsam schnaubt sie den Rain ent¬
lang;
Aus andalusischem Blute,
Hoch, schneeschimmernd, zum Grund
gebeugt
Den mähnumfluteten Nacken,
Nah sie, näher dem Hage steigt —
Nun wird der Korse sie packen!
6. Schon erfaßt er der Schneide Griff,
Er reckt sich über dem Kraute,
Da — ein Geknister und — still!
ein Pfiff,
Und wieder — summende Laute!
Und es schreitet dem Hage zu,
Grad' wo Eeronimo knieet;
Niedergleitet der Kors' im Nu,
Ha, wie er keuchet und glühet!
6. Dicht an ihm—der Mantel streift,
Die Ferse könnt' er ihm fassen —
Steht der hagre Podest' und pfeift;
„Sorella!" ruft er gelassen
Und „Sorella, mein kluges Tier!"
Der Lauscher höret es stampfen,
Über ihm, mit hellem Eewiehr,
Zwei schnaubende Nüstern dampfen.
7. Freundlich klatscht Luigi den Bug,
Liebkosend streicht er die Mähnen,
Hat nicht zärtlicher Worte genug;
Er spricht wie zu seiner Schönen.
Einen Blitz aus glühendem Aug',
Und rückwärts taumelt die Stute.
„Ei, Sorella, was fehlt dir auch?
Mein Töchterchen, meine Gute!"
s. Kandiszucker langt er hervor;
Ha, wie ihre Nüstern blasen!
Wie sie naschet, gespitzt das Ohr,
Und immer glotzet zum Rasen!
Einen Blick der Podesta scheu
Schießt über die glitzernde Aue,
Rückt amDolche und dann aufs neu':
„Mein Schimmelchen, meine Graue!"
s. Wie er über den Hag sich biegt,
Am Nacken des Tieres gleitet,
Auf Gerónimos Auge liegt
Des Feindes Mantel gebreitet;
O, nie hat so heiß und schwer
Eeronimo, nie gelegen;
Jede Muskel im Arm fühlt er
Wie eine Viper sich regen.
10. Doch er ist ein gläubiger Christ,
Geht jede Woche zur Beichte,
Hat voll Andacht noch heut geküßt
Christoforos heilige Leuchte.
Sünde wär's, das Messer im Schlund
Des Ungewarnten zu bergen,
Sonst — alleine, allein der Hund!
Bewaffnet und ohne Schergen!
11. Eine Minute, die schnell vergeht,
Der Korse gen Himmel schaute,
Zum Patrone ein Stoßgebet,
Dann fährt er empor vom Kraute;
Blank die Waffe, den Bug geschlitzt,
Dann wie ein Vogel zum Walde —
Schreiend vom Hange die Stute blitzt,
Der Richter starrt an der Halde.
2.
i. Mittagsstunde—der Sonnenpfeil
Prallt an des Weihen Gefieder,
Der vom Gesteine grau und steil
Blinzt in die Pinien nieder.
Schwarz der Wald, eine Wetternacht,
Die aus dem Äther gesunken,
Drüber der Strahl in Siegespracht
Tanzt auf dem Feinde wie trunken.