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Emil von Schönaich-Carolath.
i35 Der Betteljude, furchtsam greinend an,
So ruf' ich: ,Hase!' Hase — ja, fürwahr
Ich wär' kein Jäger, kennt' ich nicht den Blick
Auf Schrotschutzweile, den gehetzten Blick
Des Vagabunden! Keine Ruhe hat
iM Der Heimatlose. Stündlich frischgehetzt
Von grotz und klein, verhöhnt, verjagt, verschrieen
Ohn' Rast, ohn' Obdach, ist die beste Wehr,
Sich still zu ducken. Doch umsonst — die Ohren,
Die schlotternden, trübselig großen Ohren,
145 Verraten ihn. Seht Euch den Beitel an,
Gnädiger Herr, und sagt. .
„Beim Himmel, Alter,
Kommt nun zum Ziel! Vom Wolfe sprachen wir
Hört Ihr, vom Wolf! Was tat er, als die Kugel
Das Fell ihm schlitzte? Fürder wollt vom Weg
i50 Nicht nutzlos schweifen." —
„Gott behüte, Herr,
Das tat ich nimmer. Just bin bei dem Wolfe
Ich angelangt. Fürwahr, es gibt kein Tier,
Das feig, so elend feig trotz seiner Stärke
Als solch ein Wolf. Tags schleicht er durch den Wald,
i55 Blinzelnd und scheu, kaum, daß an eine Ratte
Er frei sich wagt. Was tut das Teufelsvieh?
Es spioniert! Wohin zur Rast sich setzte
Ein müdes Reh, das merkt er sich; — wo immer
Ein wehrlos Wesen weilt, da kreist im Bogen
wo Er rastlos hin. Und ist die Nacht gekommen,
Wird er zum Mörder. Lautlos hingestreckt
Am nassen Boden, kriecht er, schweitzbegossen
Vor Angst und Eier, bis arglos er im Bette
Sein Opfer findet. Und er tötet still,
i65 Der schmutz'ge Würger! Kommt es, daß der Schrei
Der wunden Hinde jäh den Platzhirsch weckt,
Den braven Wächter, — klemmt er scheu die Rute
Und läuft davon. Er mordet nur, was schüchtern
Und wehrlos ist. Hat er sich mal verritten
170 In blinder Gier und droht ihm die Gefahr,
Wird seine Feigheit kläglich offenbar.
So ging es heut, — nach einer langen Hetze
Satz unser Wolf gefangen wie im Netze,
Ich sah ihn ratlos auf und nieder schleichen,
i75 Das Haar gesträubt auf seinen magren Weichen,