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Ludwig Hölty.
11. Wohl hundertmal verdankt' ich ihr
Des Blümchens Segensflor.
Sanft schob sie's in den Busen mir
Zurück, wann ich's verlor.
Jetzt rafft ein Geist der Ungeduld
Es oft mir aus der Brust.
Erst, wann ich büße meine Schuld,
Bereu' ich den Verlust.
12. O, was des Blümchens Wunderkraft
Am Leib und am Gemüt
Ihr, meiner Holdin, einst verschafft,
Faßt nicht das längste Lied! —
Weil's mehr als Seide, Perl' und Gold
Der Schönheit Zier verleiht,
So nenn' ich's „Blümchen Wunderhold".
Sonst heitzt's — Bescheidenheit.
Sämtliche Werke, Bd. II (Gedichte, II), S. 159 ff.
Ludwig Hölty.
15. Elegie auf ein Landmädchen.
1. Schwermutsvoll und dumpfig hallt Geläute
Vom bemoosten Kirchenturm herab.
Väter weinen, Binder, Mütter, Bräute,
Und der Totengräber gräbt ein Grab.
Angetan mit einem Sterbekleide,
Eine Blumenkron' im blonden Haar,
Schlummert Röschen, so der Mutter Freude,
So der Stolz des Dorfes war.
2. Ihre Lieben, voll des Mißgeschickes,
Denken nicht an Pfänderspiel und Tanz,
Stehn am Sarge, winden nassen Blickes
Ihrer Freundin einen Totenkranz.
Ach! kein Mädchen war der Tränen werter,
Als du gutes, frommes Mädchen bist,
Und im Himmel ist kein Geist verklärter.
Als die Seele Röschens ist.