Full text: Für Präparandenanstalten (Teil 1)

171 
Mit weitem Krokodilesrachen, 
Und alles blickt verwundert bald 
Den Ritter an und bald den Drachen. 
2. Und tausend Stimmen werden laut: 
„Das ist der Lindwurm, kommt und schaut! 
Der Hirt und Herden uns verschlungen, 
Das ist der Held, der ihn bezwungen! 
Viel andre zogen vor ihm aus, 
Zu wagen den gewalt'gen Strauß, 
Doch keinen sah man wiederkehren, 
Den kühnen Ritter soll man ehren!" 
Und nach dem Kloster geht der Zug, 
Wo Sankt Johanns des Täufers Orden, 
Die Ritter des Spitals, im Flug 
Zu Rate sind versammelt worden. 
3. Und vor den edlen Meister tritt 
Der Jüngling mit bescheidnem Schritt; 
Nachdrängt das Volk, mit wildem Rusen, 
Erfüllend des Geländers Stufen. 
Und jener nimmt das Wort und spricht: 
„Ich hab' erfüllt die Ritterpflicht. 
Der Drache, der das Land verödet, 
Er liegt von meiner Hand getötet; 
Frei ist dem Wanderer der Weg, 
Der Hirte treibe ins Gefilde, 
Froh walle auf dem Felsensteg 
Der Pilger zu dem Gnadenbilde." 
4. Doch strenge blickt der Fürst ihn an 
Und spricht: „Du hast als Held getan; 
Der Mut ist's, der den Ritter ehret, 
Du hast den kühnen Geist bewähret. 
Doch sprich! was ist die erste Pflicht 
Des Ritters, der für Christum sicht, 
Sich schmücket mit des Kreuzes Zeichen?" 
Und alle ringsherum erbleichen. 
Doch er, mit edlem Anstand, spricht, 
Indem er sich errötend neiget: 
„Gehorsam ist die erste Pflicht, 
Die ihn des Schmuckes würdig zeiget." 
5. „Und diese Pflicht, mein Sohn, ver¬ 
setzt 
Der Meister, hast du frech verletzt. 
Den Kampf, den das Gesetz versaget, 
Hast du mit frevlem Mut gewaget!" — 
„Herr, richte, wenu du alles weißt, 
Spricht jener mit gesetzten! Geist, 
Denn des Gesetzes Sinn und Willen 
Vermeint' ich treulich zu erfüllen. 
Nicht unbedachtsam zog ich hin, 
Das Ungeheuer zu bekriegen; 
Durch List und kluggewandten Sinn 
Versucht ich's, in dem Kampf zu siegen. 
6. „Fünf unsres Ordens waren schon, 5 
Die Zierden der Religion, 
Des kühnen Mutes Opfer worden; 
Da wehrtest du den Kampf dem Orden. 
Doch an dem Herzen nagte mir, 
Der Unmut und die Streitbegier, 10 
Ja, selbst im Traum der stillen Nächte 
Fand ich mich keuchend im Gefechte; 
Und wenn der Morgen dämmernd kam 
Und Kunde gab von neuen Plagen, 
Da faßte mich ein wilder Gram, 15 
Und ich beschloß, es frisch zu wagen. 
7. „Und zu mir selber sprach ich dann: 
,Was schmückt den Jüngling, ehrt den 
Mann? 
Was leisteten die tapfern Helden, 20 
Von denen uns die Lieder melden, 
Die zu der Götter Glanz und Ruhm 
Erhub das blinde Heidentum? 
Sie reinigten von Ungeheuern 
Die Welt in kühnen Abenteuern, 25 
Begegneten im Kampf dem Leun 
Und rangen mit dem Minotauren, 
Die armen Opfer zu befrein, 
Und ließen sich das Blut nicht dauren. 
8. ,Jst nur der Sarazen es wert, 30 
Daß ihn bekämpft des Christen Schwert? 
Bekriegt er nur die falschen Götter? 
Gesandt ist er der Welt zum Retter, 
Von jeder Not und jedem Harm 
Befreien muß sein starker Arm; 35 
Doch seinen Mut muß Weisheit leiten, 
Und List muß mit der Stärke streiten? 
So sprach ich oft und zog allein, 
Des Raubtiers Fährte zu erkunden; 
Da flößte mir der Geist es ein, 40 
Froh rief ich aus: ,Jch hab's gefunden!' 
9. „Und trat zu dir und sprach dies 
Wort: 
Mich zieht es nach der Heimat fort? 
Du, Herr, willfahrtest meinen Bitten, 45 
Und glücklich war das Meer durchschnitten. 
Kaum stieg ich aus am heim'schen Strand, 
i Gleich ließ ich durch des Künstlers Hand,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.