Schuld.“ — Dieser Rinfall war eigentlich nicht weit her. Es
gehörte nur Unverschämtheit dazu und ein unbekümmertes Ge-
mũt, wie es am Ende ablaufen werde. Aber das Beste Kommt
noch. „Ihr seid ein durchtriebener Schalk, erwiderte der Wirt,
„und hättet wohl etwas anderes verdient; aber ich schenke euch
das Mittagessen und hier noch ein Vierundzwanzigkreuzerstũck
dazu; nur seid stille zu der Sache und geht zu meinem Nach-
bar, dem Bärenwirt, und macht es ihm ebenso.“ Das sagte er,
vVel e mit seinem Nachbar, dem Bärenwirt, aus Brotneid im
Ufrieden lebte und einer dem andern jeglichen Tort und
Schimpf gern antat und erwiderte. Aber der schlaue Gast griff
Bcheud it der einen Hand nach dem angebotenen Gelde, mit
der andern vorsichtig nach der Tüũre, wünschte dem Wirt einen
guten Abend und sagte: „Bei eurem Nachbar, dem Herrn Bären-
wWirt, bin ich schon gewesen und eben der hat mich zu euch
geschickt und kein anderer.“
So waren im Grunde beide hintergangen und der dritte
hatte den Nutzen davon. Aber der listige Kunde hätte sich noch
obendrein einen schönen Dank von beiden verdient, wenn sie
eine gute Lehre daraus gezogen und sich miteinander ausgesöhnt
hätten; denn — Priede ernährt, aber Unfrieden verzehrt.
4. Ddas Vögelein.
Nach Heinrich Bone.
An einem nebeligen Herbstmorgen stand ein armer Mann an
der Türe seines kleinen Hauses. Auf die untere Hälfte derselben
hatte er seine Arme gestützt, mit beiden Händen hielt er sein beküm⸗
mertes Haupt. Er seufzte laut und in seinen Augen glänzten matte
Tränen; denn es war der Tag, an dem er einer kleinen Schuld
wegen, die er trotz aller Sorge und Mühe nicht hatte bezahlen
können, gepfändet werden sollte. Kein Schlaf hatte ihn während
der langen Nacht erquickt und schon beim ersten Ergrauen des Tages
hatte er die Ankunft der Gerichtsboten befürchtet. Mit trüben
en sah er jetzt in die feuchte Luft und über die leeren Straßen
inaus.
Da kam plötzlich aus einer nahen Straße ein Vöglein ge—
flogen. Ängstlich flatterte es eine Zeitlang hin und wieder, als
wäre auch ihm die Ruhe und heimatliche Sicherheit genommen;
dann aber flog es schnell und schnurstracks über den Kopf des armen
Mannes weg in die Hütte und setzte sich auf einen Schrank, der
zur Pfändung schon geleert war.
Der Bekümmerte vergaß für einen Augenblick seine bangen
Gedanken. Eilends schloß er die Türe, fing das Vögelchen und