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andere zu Hilfe und beißen sie tot oder nehmen sie gefangen. Will man aber
regelmäßige Kriege sehen, so muß man in die Wälder gehen, wo die rotbraunen
Ameisen ihre Herrschaft über alle vorbeigehenden Insekten behaupten und mit ihres—
gleichen von verschiedenen Nestern Krieg führen, wie es im Mittelalter benachbarte
Städte getan haben. Manchmal rücken aus zwei Haufen, die über 100 Schritte
voneinander entfernt liegen, die Heere so zahlreich aneinander, daß sie den ganzen
Weg 2 Schuh breit bedecken und in der Mitte miteinander kämpfen. Tausende
ringen einzeln miteinander und suchen sich mit den Kiefern in die Gefangenschaft zu
schleppen. Das eigentliche Schlachtfeld hat 3 Schuh ins Geviert und riecht stark
nach Ameisensäure; überall liegen Tote, mit Gift bedeckt, herum, während ganze 10
Truppen und Glieder sich an Beinen und Kiefern halten und sich hin und her zerren.
Der Kampf beginnt gewöhnlich zwischen zweien, die sich mit den Kiefern packen, sich
gegeneinander aufrichten, um das Gift wechselseitig nach dem Feinde zu spritzen; dann
fallen sie auf die Seite und ringen lange miteinander im Staube, bis endlich eine
dritte herbeikommt und den Sieg entscheidet; aber bisweilen eilen mehrere dazu und is
packen sich an den Füßen, so daß oft sechs bis zehn aneinanderhängen. Gegen die Nacht
ziehen sich beide Heere allmählich in die Städte zurück, indem sie die Toten liegen
lassen, die Gefangenen aber mitnehmen. Vor Sonnenaufgang rücken sie aber wieder
noch viel wütender gegeneinander, und das Schlachtfeld wird 6 Schuh breit; gegen
Mittag kann der siegende Teil das Schlachtfeld 10 Schuh weiter gerückt haben. ?0
Die Kampfbegierde ist so heftig, daß man sie stören kann, ohne daß sie an einem
hinlaufen. Das Wunderbarste dabei ist, daß sich die Ameisen erkennen und die
Freunde von den Feinden zu unterscheiden wissen. Sie gehen zwar immer mit
offenen Kiefern aufeinander ios, greifen sich auch manchmal an, lassen aber gleich
wieder ab und streicheln sich mit den Fühlhörnern, wenn sie zu einem Stock gehoͤren. 2
Während des Kampfes gehen dennoch alle Geschäfte im Neste vor, und immer schleppen
die einen Gefangene nach Hause, während die anderen im Kampfe bleiben, und andere in
den Wald gehen, um Nahrung zu holen. Kommt ein Regen, so ziehen sich die Heere
zurück und vermeiden in der Folge die Nachbarschaft des anderen Haufens. Añders
gestalten sich die Kriege der rotbraunen mit den blutroten. Diese erwarten 30
jene in kleinen Truppen in der Nähe ihres Nestes, rücken dicht geschlossen vor, ohne
sich zu trennen, und packen einzein jeden Feind, der sich zu weit vorgewagt hat.
Dieser Krieg ist sehr unterhaltend. Beide Parteien legen sich in den Hinterhalt und
suchen sich zu überrumpeln. Rücken aber die rotbraunen mit Gewalt vor, so
werden die zu Hause sogleich um Hilfe gebeten, und ein großes Heer dringt sogleich 85
in Masse aus den Toren heraus, um die einzelne Schar des Feindes zu umzingeln.
Das kann man wochenlang alle Tage sich erneuern sehen zwischen zwei ziemlich ent—
fernten Haufen, wenn sie nur an demselben Zaune liegen und ihre Wege in das
wechselseilige Gebiet streifen. — Die braunroten scheinen auch spielen zu können.
An schönen Tagen sitzen sie haufenweise auf ihrem Neste in einer allgemeinen Be—
wegung, wie die des siedenden Wassers; jede schwingt die Fühlhörner mit erstaun⸗
licher Geschwindigkeit und streichelt mit den Vorderfüßen sanft den Kopf der anderen;
dann richten sie sich paarweise auf, ringen miteinander, werfen sich herum und fassen
sich bald an den Kiefern, bald am Halse oder am Hinterleibe, ohne Gift auszusprihen
und ohne sich etwas zu tun; zuletzt lassen sie los und laufen auf eine andere zu,
mit derselben zu ringen u. s. w. Bei anderen sieht man diese kriegerischen Spiele
nicht. Man sieht sie vorzüglich auf solchen Haufen, die eine günstige Lage haben,
der Nähe von vieler Nahrung und Wasser, etwa von einem Zaune gegen feindliche
Besuche geschützt. — Bisweilen sieht man auf dem Neste Ameisen, die sich herum—
drehen, als wenn sie den Schwindel hätten, zwei, drei Minuten lang; dann laufen be
sie auf eine andere los, fassen sie am Bein oder Fühlhorn und lassen sie gleich
wieder gehen, um nach einer anderen zu rennen; wahrscheinlich kommt das vom