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Blüte edelsten Gemütes
Ist die Rücksicht; doch zuzeiten
Sind erfrischend wie Gewitter
Goldne Rücksichtslosigkeiten.
Wackrer heimatlicher Grobheit
Setze deine Stirn entgegen;
Artigen Leutseligkeiten
Gehe schweigend aus den Wegen.
Wo zum Weib du nicht die Tochter
Wagen würdest zu begehren,
Halte dich zu wert, um gastlich
In dem Hause zu verkehren.
Was du immer kannst, zu werden,
Arbeit scheue nicht und Wachen;
Aber hüte deine Seele
Vor dem Karrieremachen.
Wenn der Pöbel aller Sorte
Tanzet um die goldnen Kälber,
Halte fest: Du hast vom Leben
Doch am Ende nur dich selber
12. Klaus Groth (1819 1899).
Quelle: Quickborn ?8/27. Kiel und Leipzig 1901.
1. Min Modersprak: Min Modersprak, wa klingst du schön! ꝛc. 2. Min Platz ver Daœr:
De Weg an unsen Tun hentlank, ꝛc. 8. Min Jehann: Ik wull, wi weern noch kleen, Jehann, ꝛc.
1. Dat Moor: De Borrn bewegt sick op vn dal, ꝛc. 5. Abendfreden: De Welt is rein so
sachen, ꝛc. 6. Dat Dörp in Snee: Still as ünnern warme Der, ꝛec. 7. Hell int Finster: Hell
int Finster schint de Sünn, ꝛc. 8. Ol Büsum: Ol Büsen liggt int wille Haff, ꝛc. 9. De letzte
Feide: Nich en Wort war hört, nich en Stimm, nich en Lut, 2e. 10. Matten Has: Lütt Matten
de Has, ꝛc.
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13. Gottfried Keller 1819 1890).
Quelle: Gesammelte Werke, Bd. 9/10 11 (Gedichte), Berlin 1897.
1. Gewitter im Mai.
In Blüten schwamm das Frühlingsland,
Es wogte weiß in schwüler Ruh;
Der dunkle, feuchte Himmel band
Mir schwer die feuchten Augen zu.
Voll Reu und Leid hatt ich den Mai
Gegrüßt und seinen bunten Flor;
Nun zog er mir im Schlaf vorbei,
Verträumt von dem vergrämten Tor!
Da war ein Donnerschlag geschehn,
Ein einziger; den Berg entlang
Hört ich Erwachender vergehn
Erschrocken seinen letzten Klang!
„Steh auf! steh auf! entraffe dich
Der trägen, tatenlosen Reu!“
Durch Tal und Herz ein Schauer strich,
Das Leben blühte frisch und neu.
2. Sonnenuntergang.
In Gold und Purpur tief verhüllt
Willst du mit deiner Leuchte scheiden,
Und ich, noch ganz von dir erfüllt,
Soll, Sonne, dich nun plötzlich meiden?
Du hast mein Herz mit Lust entzündet,
Du allerschönste Königin,
Wenn mir dein Strahlenantlitz schwindet,
Ist nicht das Leben tot und hin?
O reiche mir noch einen Strahl
Des Lichtes, daß er auf mich falle
Und ich aus diesem Dämmertal
An deiner Hand hinüberwalle!
Laß mich an deinem Hofe weilen
Als lichte, leichte Wolke nur,
Vor deinem Zuge kündend eilen
Als deines Glanzes schwächste Spur!