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II. (Gekürzt.)
Hamburg, den 31. August 1776.
Mein Lieber!
Hätte ich doch erst Briefe von Ihnen, die mir sagten, Sie wären glücklich angelangt
und befänden sich Wohl! Bis ich sie habe, kann ich weder schlafen noch essen. Bin ich
nicht eine unruhige Kreatur? Ja, das bin ich. Und die Mannheimer Sache beunruhigt
mich auch, weil ich fürchte, daß das stille, einsame Leben, womit ich mir schmeichelte, in
ein sehr turbulentes verwandelt werden wird. Denn nun weiß ich auch schon, daß man
Sie fürs Theater engagieren will. Mein Bruder aus Heidelberg schreibt es mir heute.
Ich lege den Brief mit bei. Aus diesem Briefe schließe ich, daß die Herren Abgesandten
Sie wohl schon einige Tage in Wolfenbüttel mögen erwartet haben, sie müßten denn
einen Umweg genommen haben. Es wäre mir lieb. Um so eher erführe ich Ihren
Entschluß. Soviel ist gewiß, der Antrag ist sehr vorteilhaft; ohne was wir durch den
Decem gewännen, bekämen Sie anderthalbmal so viel Besoldung, als Sie jetzt haben,
und das in einem Lande, in welchem man für wenig Geld gut leben kann. —
Wolsenbüttel kenne ich nicht, allein wenn es nach Braunschweig zu rechnen wäre,
so glaube ich, daß man in Heidelberg mit der Hälfte so weit käme als in Wolfenbüttel
mit dem Ganzen. In Mannheim ist es etwas teurer. Doch wenn Sie die Stelle beim
Theater annehmen, so wünschte ich auch, daß Sie Mannheim zum Wohnplatz wählten.
Notwendig müßten Sie doch oft in Mannheim sein, ich würde also Ihres Umgangs
wenig genießen, wenn wir in Heidelberg wohnten, und das ist doch, was ich am sehn¬
lichsten wünsche, und warum ich Sie zum voraus bitte. Das übrige richten Sie alles
nach Ihrem Genie und Willen ein. Wie ich oft gesagt habe, ich ziehe mit Ihnen ans
Ende der Welt. Montag über drei Wochen — daß Sie den äußersten Termin nicht
vergessen — sage ich Ihnen mündlich, was ich leider jetzt nur schriftlich tun kann, daß
ich Sie über alles hochschätze und liebe und ewig sein werde
Ihre
ganz ergebene
ECK
Meine Kinder empfehlen sich Ihrer Liebe. . .
5. Johann Gottfried (von) Herder.
Quelle: H. Düntzer und Ferd. Gottfr. von Herder, Aus Herders Nachlaß. Uugedruckte
Briefe. Frankfurt a/M. 1857. Bd. III. S. 13.
An seirrr Kraut Caroline Flachsland. (Gekürzt.)
(Frankfurt gegen den 20. April 1771.]
Haben Sie meine letzte scheidende Bitte erfüllt, liebstes Mädchen, und sind ruhig
und heiter gewesen? O Gott! da ließ ich Sie im Winkel . . stehen mit weinenden,
geschwollenen Augen, wo Sie doch vor meiner Ankunft in eben dem Kämmerchen sich
auf meine Ankunft so sreueten! Bin ich denn als ein Mörder oder Übeltäter bei Ihnen