Full text: [Band 2, [Schülerband]] (Band 2, [Schülerband])

Aus stolzer Ritterzeit. 
Balken schmetterten sie zu Boden, brennende Pfeile setzten ihr Kriegszeug 
in Brand; hinabgeworfene Gefäße, mit Schwefel und kochendem Öle 
angefüllt, vermehrten die Glut und durch unaufhörliches Gießen von 
Wasser, durch Anstrengungen aller Art konnte man die Gefahren nicht 
besiegen, sondern kaum hemmen. So verging der erste Tag ohne Ent¬ 
scheidung und nur ein Umstand erhöhte den Mut der Christen: daß die 
Sarazenen ungeachtet aller Bemühungen nicht imstande waren ein 
heiliges Kreuz zu verletzen, welches man auf dem Turme Gottfrieds von 
Bouillon errichtet hatte. 
Tie Nacht verfloß in gegenseitiger Furcht eines Überfalls und die 
Wachen wurden verdoppelt; wenigen aber war es gegeben, sich nach solcher 
Anstrengung und in der nahen Aussicht auf größere Taten durch ruhigen 
Schlaf zu stärken. Auch erneute sich mit der Morgenröte der Kampf, heftiger 
noch als am vergangenen Tage; denn die Christen waren erbittert, daß ihre 
früheren Hoffnungen getäuscht worden, und die Sarazenen ahnten ihr Schick¬ 
sal im Falle der Eroberung Jerusalems. Deshalb beschlugen die letzteren 
einen ungeheueren Balken ringsum mit Nägeln und eisernen Haken, 
befestigten zwischen diesen Werg, Stroh und andere brennbare Dinge, 
gossen Pech, Öl und Wachs darüber hin, steckten alles an mehreren Stellen 
zugleich in Brand und warfen dann den Balken mit ungeheurer Anstrengung 
zum Turme des Herzogs von Lothringen. Schnell wollten ihn die Christen 
hinwegziehen; es mißlang jedoch, weil die Belagerten eine starke Kette 
um dessen Mitte geschlungen hatten und ihn festhielten. Da hoffte man 
wenigstens die Flammen zu löschen, welche gewaltig um sich griffen und 
alle Werkzeuge der Pilger zu zerstören drohten; aber kein Wasser minderte 
die Glut und erst durch den glücklicherweise für solche Fälle herbeigeschafften 
Essig wurde der Brand gehemmt. So dauerte das Gefecht schon sieben 
Stunden ohne Erfolg und viele Christen wichen ermüdet zurück. Der 
Herzog von der Normandie und der Gras von Flandern verzweifelten an 
einem glücklichen Ausgang und rieten zur Nastung bis auf den folgenden 
Tag; der Herzog von Lothringen hielt nur mit Mühe seine Mannschaft 
beisammen und die Belagerten freuten sich schon der Errettung; da winkte 
ein Ritter vom Ölberge her mit leuchtendem Schild gegen die Stadt. 
„Seht ihr," rief der Herzog, „seht ihr das himmlische Zeichen, gewahrt 
ihr den höheren Beistand?" Und alle drangen rastlos wieder vorwärts; 
selbst Kranke, selbst Weiber ergriffen die Waffen um die heilbringenden 
Gefahren zu teilen. In demselben Augenblicke warf das Geschütz der 
Franken mit furchtbarer Gewalt die größten Steine über die Mauern, 
und weil alle anderen Mittel fruchtlos blieben, so wollten die Belagerten 
durch Zauberei dagegen wirken; aber e i n Stein tötete die beiden herzu¬ 
gerufenen Beschwörerinnen nebst drei Mädchen, welche sie begleitet 
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