Aus stolzer Ritterzeit.
Balken schmetterten sie zu Boden, brennende Pfeile setzten ihr Kriegszeug
in Brand; hinabgeworfene Gefäße, mit Schwefel und kochendem Öle
angefüllt, vermehrten die Glut und durch unaufhörliches Gießen von
Wasser, durch Anstrengungen aller Art konnte man die Gefahren nicht
besiegen, sondern kaum hemmen. So verging der erste Tag ohne Ent¬
scheidung und nur ein Umstand erhöhte den Mut der Christen: daß die
Sarazenen ungeachtet aller Bemühungen nicht imstande waren ein
heiliges Kreuz zu verletzen, welches man auf dem Turme Gottfrieds von
Bouillon errichtet hatte.
Tie Nacht verfloß in gegenseitiger Furcht eines Überfalls und die
Wachen wurden verdoppelt; wenigen aber war es gegeben, sich nach solcher
Anstrengung und in der nahen Aussicht auf größere Taten durch ruhigen
Schlaf zu stärken. Auch erneute sich mit der Morgenröte der Kampf, heftiger
noch als am vergangenen Tage; denn die Christen waren erbittert, daß ihre
früheren Hoffnungen getäuscht worden, und die Sarazenen ahnten ihr Schick¬
sal im Falle der Eroberung Jerusalems. Deshalb beschlugen die letzteren
einen ungeheueren Balken ringsum mit Nägeln und eisernen Haken,
befestigten zwischen diesen Werg, Stroh und andere brennbare Dinge,
gossen Pech, Öl und Wachs darüber hin, steckten alles an mehreren Stellen
zugleich in Brand und warfen dann den Balken mit ungeheurer Anstrengung
zum Turme des Herzogs von Lothringen. Schnell wollten ihn die Christen
hinwegziehen; es mißlang jedoch, weil die Belagerten eine starke Kette
um dessen Mitte geschlungen hatten und ihn festhielten. Da hoffte man
wenigstens die Flammen zu löschen, welche gewaltig um sich griffen und
alle Werkzeuge der Pilger zu zerstören drohten; aber kein Wasser minderte
die Glut und erst durch den glücklicherweise für solche Fälle herbeigeschafften
Essig wurde der Brand gehemmt. So dauerte das Gefecht schon sieben
Stunden ohne Erfolg und viele Christen wichen ermüdet zurück. Der
Herzog von der Normandie und der Gras von Flandern verzweifelten an
einem glücklichen Ausgang und rieten zur Nastung bis auf den folgenden
Tag; der Herzog von Lothringen hielt nur mit Mühe seine Mannschaft
beisammen und die Belagerten freuten sich schon der Errettung; da winkte
ein Ritter vom Ölberge her mit leuchtendem Schild gegen die Stadt.
„Seht ihr," rief der Herzog, „seht ihr das himmlische Zeichen, gewahrt
ihr den höheren Beistand?" Und alle drangen rastlos wieder vorwärts;
selbst Kranke, selbst Weiber ergriffen die Waffen um die heilbringenden
Gefahren zu teilen. In demselben Augenblicke warf das Geschütz der
Franken mit furchtbarer Gewalt die größten Steine über die Mauern,
und weil alle anderen Mittel fruchtlos blieben, so wollten die Belagerten
durch Zauberei dagegen wirken; aber e i n Stein tötete die beiden herzu¬
gerufenen Beschwörerinnen nebst drei Mädchen, welche sie begleitet
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