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Anna Ritter. — Isabella Kaiser.
Hei, wie der Alte
Vom Boden springt!
Gell pfeift er, daß es
Die Luft durchdringt.
Er schwingt sich wild auf
Sein iviehernd Roß,
Und um ihn drangt sich
Der Wolken Troß,
Hussah! Hussah!
Nun wahr dich, Erde,
Nun wahr dich, Meer,
In Lüften brauset
Der Sturm daher.
Nun beugt euch, Wälder,
Nun knie, Saat,
Springt an, ihr Wogen,
Ein König naht!
Heil! Heil! ,
Ihr Menschen fluchtet
Und kriecht ins Haus,
Die Flammen löscht nun,
Die Feuer aus,
Daß nicht des Herdes
Geweihte Glut
Empört sich ivende
Und zehr' das Gut.
Gnade! Gnade!
Die Höhen brausen,
Es ivankt der Grund,
Die Glocken beten
Mit ernstem Mund.
Empor die Augen,
Der Sturm ist da —
In Sturm und^Wetter
Der Herr ist nah!
Halleluja!
Isabelln Kaiser.
325. Schiller.
Es war im Blütenmond. Die Amsel sang
Am stillen Strand der Ilm in Weimars Gärten.
Aus seinen Sinnen lockt der frohe Klang
Den müden, kranken Mann mit der verklärten,
Gewölbten Stirn im hageren Gesicht,
Den Mann, der auf der Menschheit Höhen wohnte.
Da blickt er freudig ans. Ihn kümmert nicht
Der Cäsar, der im Reich der Franken thronte-
Fern sieht er leuchten reines Gletscherlicht,
Dem Wellenschlag des Sees nur will er lauschen
Und eines freien Hirten Lobgesang.
Er hört den Föhn in Wetternächten rauschen
Und pflückt mit mut'ger Hand am Felsenhang,
Auf daß der Wind den Duft allorts vertrage,
Die keusche Blüte freiheitlicher Sage.
— So träumt der müde Mann. Im Westen loht
Die untergeh'nde Sonn'- ein Purpurschimmer
Fällt auf sein Haupt. Still mahnend geht der Tod
Mit leisem Flüstern durch das Krankenzimmer:
„Aufs Jahr! Aufs Jahr!" ertönt's im Abendrot.
Herb lächelnd lauscht er diesen Geisterstimmen:
Er weiß, bald muß sein heilig Licht verglimmen-
Doch einmal noch, eh' kommt die große Nacht,
Soll's flammen hell, vom Alpwind angefacht,
Und eh' das Schweigen naht, ihn zu bezwingen,
Will er, im Kampf, die Freiheit noch besingen.
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