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Robert Hamerling.
Und südwärts lockt nns oft ein Wanderdrang;
Doch seit ich leb' in Rom, da dünkt mich's oft,
Als wär's doch nirgend schöner als daheim." —
420 „In euren Sümpfen, euren Tannenwäldern?" —
„Wie schattig grünt der Wald zur Sommerszeit!
Doch schöner, mein' ich, ist er noch im Winter:
Da hängt der weiße Nebel in den Ästen,
Windbrüche hört man knirschen im Gebirg',
425 Und geht der Wandrer durch den Forst, da klingen
Des Eises Zapfen, schimmernd in der Sonne,
Aus allen Wipfeln wie ein Glockenspiel.
- Und unterm Fuß des Wandrers kracht der Schnee.
Bei Nacht die Stürme brausen, Sterne glitzern,
430 Aus dem Gestrüpp zuweilen schaut ein Werwolf, —
Dann schlägt man sich wohl abseits in den Busch
Und hüllt sich schaudernd tiefer in die Wildschur.
In solcher Zeit, o, da ist's wohlig ruhn
Bei dicker Tannenklötze roter Glut,
435 Bei Gerstentrank und Met und Liederklang." —
„Wie? habt ihr Lieder auch? wem singt ihr sie?" —
„Den Helden und den Fraun." — „Die Frauen gelten
Bei euch so viel?" — „Mehr als in Rom. Wir haben
Auch Seherinnen, hochgeehrt im Volk." —
440 „Ihr ehrt die Helden auch?" — „Wenn sie gestorben,
Erweist man ihnen hohe Grabesehren." —
„Ei, wie bestattet ihr den toten Helden?" —
„Schwert, Lanze, Schild, Trinkhörner, Rosse werden
Mit ihm verbrannt. Bei Stämmen an der See,
445 Da üben sie noch andre Todesfeier:
Des Helden Leib wird auf ein Schiff gesetzt
Mit Waffen, Beute, Schätzen, prächt'ger Zier.
Man zieht die Segel auf und steckt das Schiff
In Brand, und so, mit hochgeschwellten Segeln,
450 Im Glanz der Flammen fährt der tote Held
Von dannen und verbrennt auf hoher See." —
„Ein seltsam Volk! (spricht Nero still bei sich),
Urkraft mit Herz und Phantasie verschwistert . . .
Damit erobert, wer da will, die Welt!" —
455 In diesem Augenblicke zuckt ein Blitz, —
Ein wilder Donnerschlag erkracht zugleich,
Und das Asyl der beiden steht in Flammen.
Auftaumeln sie entsetzensbleich und tappen