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167. Siebenschön.
Es waren einmal in einem Dorfe ein paar arme Leute, die
hatten ein kleines Häuschen und nur eine einzige Tochter, die war
wunderschön und gut über alle Matzen. Sie arbeitete, fegte, wusch,
spann und nähte für sieben, und war so schön wie sieben zusammen,
darum war sie Siebenschön geheitzen. Aber weil sie ob ihrer Schön¬
heit immer von den Leuten angestaunt wurde, schämte sie sich und
nahm Sonntags, wenn sie in die Kirche ging — denn Siebenschön
war auch frömmer wie sieben andere, und das war ihre grötzte
Schönheit, — einen Schleier vor ihr Gesicht. So sah sie einstens
der Königssohn und hatte seine Freude über ihre edle Gestalt,
ihren herrlichen Wuchs, so schlank wie eine junge Tanne, aber es
war ihm leid, datz er vor dem Schleier nicht auch ihr Gesicht sah,
und fragte seiner Diener einen: „Wie kommt es, datz wir Sieben-
schöns Gesicht nicht sehen?" — „Das kommt daher," antwortete
der Diener, „weil Siebenschön so sittsam ist." Darauf sagte der
Königssohn: „Ist Siebenschön so sittsam zu ihrer Schönheit, so
will ich sie lieben mein Leben lang und will sie heiraten. Gehe du
hin und bringe ihr diesen goldnen Ring von mir und sage ihr,
ich habe mit ihr zu reden, sie solle abends zu der grotzen Eiche
kommen." Der Diener tat, wie ihm befohlen war. Siebenschön
glaubte, der Königssohn wolle ein Stück Arbeit bei ihr bestellen
und ging daher zur grotzen Eiche; da sagte ihr der Prinz, datz
er sie lieb habe um ihrer grotzen Sittsamkeit und Tugend willen
und sie zur Frau nehmen wolle. Siebenschön aber sagte: „Ich
bin ein armes Mädchen, und du bist ein reicher Prinz; dein Vater
würde sehr böse werden, wenn du mich wolltest zur Frau nehmen."
Der Prinz drang aber noch mehr in sie, und da sagte sie endlich,
sie wolle sich's bedenken, er solle ihr ein paar Tage Bedenkzeit
gönnen. Der Königssohn konnte aber unmöglich ein paar Tage
warten, er schickte schon am folgenden Tage Siebenschön ein paar
silberne Schuhe und lietz sie bitten, noch einmal unter die grotze
Eiche zu kommen. Da sie nun kam, so fragte er schon, ob sie sich
besonnen habe? Sie aber sagte, sie habe noch keine Zeit gehabt,
sich zu besinnen, es gebe im Haushalt gar viel zu tun, und sie
sei ja doch ein armes Mädchen und er ein reicher Prinz, und sein
Vater werde sehr böse werden, wenn er, der Prinz, sie zur Frau