208
Geschichten.
Du hattest kein Erbarmen,
Nun kommt die Strafe hinterher,
Noch schlägt die Rute gar nicht sehr,
Und du verdienst es noch viel mehr.
Endlich erblickte Anton das Haus seiner Eltern, und
endlich lag das Birkenwäldchen hinter ihm. Da war auch
die fürchterliche Rute verschwunden. Über Hals und Kopf
rannte der Knabe nach Hause; er sah schön aus, Gesicht
und Hände feuerrot! und der ganze Körper schmerzte und
brannte von den unzähligen Rutenstreichen, als hätt er in
Nesseln gelegen.
Kletke.
193. Die Blume mit dem roten Herzen.
Im tiefen Walde blühte einsam die weiße Blume mit
dem roten Herzen. Wer sie so sah in ihrer Schönheit, dem
deutete es Glück, und er war froh drei Tage und drei
Nächte lang. Davon hörte die Königstochter, und sie suchte
den wilden Wald hindurch, bis sie die Blume fand.
Da ward ihr wunderbar froh zu Sinn, und sie rief;
„Einsam sollst du nicht bleiben; in meiner Nähe will ich
dich sehen, und ich will dich nach Hause bringen." Die
Königstochter grub die Blume aus, nahm sie mit sich und
ließ sie durch den Hofgärtner in einen goldnen Blumentopf
pflanzen. Diesen Blumentopf stellte sie in ihr Zimmer mitten
auf den Tisch, tanzte vor Freuden darum herum und rief:
„Du sollst mir lieb sein und nicht geringer gehalten werden,
wie ich selbst."
Am ersten Tage holte sie süßen Met in einer goldenen
Schale und begoß damit die Blume; aber am andern Morgen
war eins der Blättchen verwelkt und fiel ab. Da wurde
das Kind ernst und dachte: „Sie soll es noch besser haben."
Dann holte sie vom allerbesten Wein einen Becher voll
und begoß die Blumen damit. Am folgenden Morgen war
.das zweite Blättchen verwelkt und fiel ab.
Da trauerte das Königskind und sagte: „Sie muß es