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Mundart, seine Redewendungen, seine Sprüche, seine Lieder, und
dieser Stil zeichnet die großen Volksgruppen. Dieser landschaftliche
Stil des Bauern ist aber wiederum ein Stück Geschichte, an welchem
derselbe zäh genug festhält. In einzelnen Gegenden Ungarns, z. B.
in der Neutraer Gespanschaft, ziehen die bäuerlichen Nachkommen
deutscher Kolonisten des zwölften und dreizehnten Jahrhunderts
heute noch, ihre altsächsischen Lieder und Weisen singend, als Schnit—
ier im weiten Lande umher, während die gebildeten deutschen
Einwanderer in kürzester Frist ihre heimische Sprache vergessen und
die ungarische annehmen.
Daäs Eigenste der Bauernsprache besteht fast nur darin, daß sie
an markiger, alter Weise festgehalten hat, die man in den Kreisen
der Gebildeten abschliff. So bezeichnet der Bauer z. B. den Tag
vielfach noch lieber altmodisch nach dem Kalenderheiligen als durch
die tote Ziffer des Datums. In den Taufnamen, die er seinen
Kindern gibt, hält er den alten Brauch der Gegend fest, während der
Gebildete dabei gewöhnlich nach Grille und Laune verfährt. Viele
vor alters bräuchliche Taufnamen würden ganz ausgestorben sein,
wenn sie sich nicht bei den Bauern, namentlich in Norddeutschland,
erhalten hätten. Das stete Forterben gewisser Lieblingsvornamen
in einer Familie, welches früher bei dem deutschen Adel so häufig
vorkam, jetzt nur noch bei Fürstenfamilien sich folgerecht erhalten hat,
wird in manchen Gegenden bei den Bauern noch mit Strenge durch—
geführt.
Volkssagen haben sich im Munde der Bauern meist rein bewahrt,
während sie, wo sich die Gebildeteren derselben bemächtigten, in der
Regel sofort verfälscht und willkürlich verunziert wurden. Was uns
noch von altheidnischem Aberglauben, von Sprüchen und Bräuchen,
die sich darauf beziehen, überkommen ist, dafür hat die historische
Forschuͤng fast ausschließlich den Bauern zu danken. In Zeitläufte,
zu welchen keine Geschichte mehr hinaufsteigt, ragt nur noch die dunkle
Kunde, welche uns die Bauern bewahrt häben.
Der Bauer hält selbst da noch am Historischen fest, wo es klüger
wäre, dasselbe aufzugeben. Er trägt auf dem Schwarzwalde und
im Hüttenburg in den Hundstagen eine dicke Pelzkappe, weil das eine
historische Pelzkappe ist, die sein Urahn auch getragen hat. In der
Wetterau in der Gegend von Großenlinden gilt die Bauerndirne für
die feinste, welche die meisten Röcke übereinander trägt. Mit sieben
übereinander gezogenen Röcken an die Feldarbeit zu gehen, etwa
ins nasse Gras oder ins hohe Korn, ist offenbar sehr unvernünftig,
aber es ist historisch.
Wenn man übrigens von der historischen Pietät (Festhalten am
Althergebrachten) des deutschen Bauern spricht, dann darf man nicht
vergessen, daß diese Pietät ganz einseitig ist und sich in der Regel nur
auf das beschränkt, was den Bauer selbst und unmittelbar angeht.
Er hat die größte Pietät gegen das alte baufällige Haus, das sein