Kleider.
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106. Künstliches Mchbeiu.
1. Das Fischbein ist ein äußerst kostbares Material, welches vom Walfisch
stammt. Es stellt eine hornartige Masse dar, welche in sichelförmig gekrümmten
Platten, die mit ihren breiten Flächen aneinander liegen, zu je 250 bis 300 an
jeder Seite des Walfischrachens an einem Knochen sitzen, welcher den Gaumen in
zwei gleiche Teile trennt. Diese Barten zerfasern sich an ihrem freien Rand zu
roßhaarähnlichen Lüngsfasern, welche rings um den Rand des Oberkiefers aus dem
Rachen heraustreten und gewissermaßen einen Bart bilden. Die Gesamtmenge des
Fischbeines von einem einzigen Walfisch erreicht oft ein Gewicht von 1500 kg.
2. Die Verwendung des Fischbeines zu Flechtwaren u. s. w. ist zur Genüge
bekannt. Welche Verwendung dieser Stoff in dem Rahmen der Bürsten- und
Pinselindustrie findet, ist ebenfalls bekannt, und eigentümlicherweise war es wohl
die Natur selbst, welche seine Anwendung lehrte; erst in zweiter Linie kommt der
menschliche Scharfsinn hier in Betracht; denn daß aus dem Fischbein ein wertvolles
Faserprodukt zu erzeugen ist, das zeigt der Walfischbart. Diese Faser ist dem
Roßhaar vollständig gleichwertig. Es nimmt daher kein Wunder, wenn man be¬
strebt ist, ein künstliches Fischbein herzustellen, welches billiger ist als das natürliche
und welches sich jedoch derselben Eigenschaften erfreut, wie das echte Material.
Man hat in dem Celluloid einen Stoff, aus dem sich roßhaarähnliche Fasern
schneiden lassen, welche ganz leidlich gute Eigenschaften aufweisen. Daneben bestehen
aber auch einige unerwünschte Eigenschaften, welche dieses Material immer noch
nicht als wirklich guten Ersatz gelten lassen.
Die zunächst zu erläuternde Art zur Herstellung von künstlichem Fischbein
scheint zwar keinen ganz billigen Ersatz zu ergeben, nichtsdestoweniger verdient sie
Beachtung, da sich der Stoff nach allen Richtungen hin bewähren soll.
Es werden Tierdärme aller Art verwendet, doch sollen solche von Schafen
und Ziegen die besten Ergebnisse bringen.
Diese Därme kommen meist bereits geputzt, in getrocknetem oder gesalzenem
Zustand in den Handel. Es erfolgt zuerst ein Aufweichen und gründliches Schleimen
der Därme in alkalischer Lauge, bis Fleisch, Fett und Schmutz entfernt sind und
die reine Faser übrig bleibt, welche alsdann einige Tage in schwefliger Säure ge¬
bleicht wird, womit gleichzeitig eine gründliche Reinigung erreicht wird.
Die so behandelten Därme werden hierauf mit Gununi oder Leim durchtränkt,
zu kleinen, dicht neben- und übereinander gespannten Bündeln vereinigt; neben
jedes einzelne Bündel werden mehrere etwas dickere Därme gezogen, um ein unteil¬
bares Ganze daraus zu bilden, sodann werden sie aufgespannt, in Formen gepreßt
und getrocknet.
Soll nun dieses Erzeugnis zu Stäben benutzt werden, so wird der letzte, die
Umschließung bildende Darm vor dem Trocknen noch einer Behandlung mit Gerb¬
säure unterzogen, um den Widerstand gegen ein Wiedererweichen in jeder Flüssig¬
keit zu erhöhen. Schließlich wird den Stäben mit Bernsteinlack ein fester elastischer
Überzug gegeben, nachdem sie unter Anwendung von großer Hitze getrocknet sind.
Soll aber nun das betreffende Erzeugnis zu Fasern für die Zwecke der
Bürsten- und Pinselindustrie benutzt werden, so ist Chromleim anzuwenden. Die
Därme werden in einer Dunkelkammer bei Rotlicht mit Chromleim zu Bündeln
vereinigt und zu schwachen Platten ausgepreßt, welche dann im Tageslichte ge¬
trocknet werden. Hierauf werden sie einer zweiten Pressung unterzogen und dann
weiter getrocknet.
Der Chromleim bewährt sich in folgender Zusammensetzung: Fischleim 1000
Gramm, destilliertes Wasser 3000 Kubikzentinieter, Ammoniumbichromat 40 Gramm,
kristallisierte Chromsäure 20 Gramm, Ammoniak (Eigengewicht 0,914) 40Kubikcm.
Die Herstellung dieser Mischung erfolgt in der Weise, daß 1000 Gramm
Fischleim mit 1600 Kubikzentimeter Wasser, 40 Gramm Ammoniumbichromat, 800
Kubikzentimeter Wasser, 20 Gramm Chromsäure mit 600 Kubikzentimeter Wasser
gelöst werden, so daß an Wasser 3000 Kubikzentimeter benötigt sind. Ammonium-