Full text: [Band 1, [Schülerband]] (Band 1, [Schülerband])

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darunter hinweg wie eine Henne unter der Gartentüre und drängte sich 
dann ohne Umstände mitten durch die Versammlung, bis er vor dem 
Bischof stand, dein er den Saum seines Kleides küßte. Seine Mütze, an 
der nicht viel zu verkrüppeln war, nahm er zwischen die Kniee, drei vier¬ 
eckige und zolldicke Schieferplatten, eine blaßgelbe, eine blaugraue und 
eine marmorierte, nahm er aus der Schürze, womit sie umwickelt waren, 
und legte sie auf die Tafel. Sie waren noch naß; denn er hatte sie erst 
in den Dombrunnen getaucht. Desto mehr aber glänzten die geschlissenen 
Seiten und zeigten, wie schön die Steine erst dann würden, wenn eine 
kunstgeübte Hand darüberkäme. 
Seine Ware zu empfehlen, meinte der Knabe, sei nicht nötig, 
sondern er schaute nur einem von den Umstehenden nach dem andern ins 
Gesicht und wischte sich mit der Schürze den Schweiß von der Stirne. 
Als aber der Bischof anfing ihn zu fragen, antwortete er munter und 
sprach: „Ich gehöre dem Sandweib von Solenhofen und die Steine habe 
ich auf dem Berge hinter dem Kloster gemacht. Und wenn Ihr noch mehr 
brauchet, so dürft Ihr mir nur Eure Steinhauer mitgeben, so will ich 
ihnen zeigen, wie sie es ansangen müssen." 
Denn der Knabe war Benedikt, unser Ziegenhirtlein. Er hatte nach 
der Abendsuppe, bei der ihm seine Mutter von der neuen Kirche in 
Eichstätt erzählte, nicht geschlafen, sondern ein Gedanke, der ihm unter 
dem Essen gekommen war, trieb ihn durch die Hintertüre hinaus auf 
den Berg, wo seine Steine lagen, und von da mit ihnen in der mond¬ 
hellen Nacht gen Eichstätt, wohin er Pen Weg genau kannte von dem 
Sandhandel her. Seine Mutter erschrak freilich, als sie ihn in aller 
Frühe wecken wollte und das Nest leer fand. Und sie konnte nicht einmal 
gehen ihn zu suchen oder ihm nachzufragen; denn die Ziegen waren schon 
alle aus den Ställen gelassen und standen meckernd auf der Gasse oder 
naschten von den Blumenstöcken vor den Fenstern des Pfarrhauses. 
Wohl oder übel mußte sie tun, als wäre ihr Benedikt krank. Sie nahm 
Geißel und Stecken und trieb das Vieh selbst auf den Berg, wo sie den 
langen, langen Tag unter vergeblichem Warten und Sorgen zubrachte. 
Aber als sie abends hinter der gehörnten Schar das Dorf herunter¬ 
ging, kamen einige Maultiere herauf ihr entgegen. Und auf dem vordersten 
saß ihr Benedikt hinter einem Knechte des Fürstbischofs und zwar so 
munter, daß die Witfrau sogleich sah, es müsse ihm den Tag über nicht 
schlecht gegangen sein. 
Und so war es auch. Der Bischof hatte sich sogleich für die Pflaster¬ 
steine des Sandbuben entschieden und die fremden Steinmetzen wieder 
in ihre Heimat entlassen, den Knaben aber mit sich in sein Haus ge¬ 
nommen, gespeist und versichert, daß er für ihn und seine Mutter sorgen 
wolle. Dann hatte er ihn mit dem Baumeister, der das Steinlager unter¬ 
suchen sollte, nach Solenhofen zurückgehen lassen. 
Der Bischof hielt Wort. Nachdem Benedikt bei einem Meister 
Steinmetz in Eichstätt in der Lehre gewesen war, ließ er sich in Solen¬ 
hofen nieder und hatte fortwährend so viele Bestellungen an Pflaster-
	        
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