Full text: Deutsches Lesebuch für Handelsschulen und verwandte Anstalten

420 128. Die Leipziger Messen. 
Stadt Worms brachte einen alten Filzhut, den sie immer wieder 
einlõöste, so daß derselbe viele Jahre ein Zeuge dieser Zeremonie 
gewesen war. 
Nachdem der Gesandte seine Anrede gehalten, das Geschenb 
abgegeben, von dem Schultheißen die Versicherung fortdauernder 
Begũunstigung empfangen, entfernte er sich aus dom geschlosse- 
nen Rreise, die Pfeifer bliesen, der Zug ging ab, wie er gekommen 
war, das Gericht verfolgte seine Geschäfte, bis der zweite und 
endlich der dritte Gesandte eingeführt wurden: denn sie kamen 
erst einige Zeit nacheinander, teils damit das Vergnügen des Publi- 
kums länger dauere, teils auch weil es immer dieselben altertüm- 
lichen Virtuosen waren, welche Nürnberg für sich und seine Uit⸗ 
stãdte zu unterhalten und jedes Jahr an Ort und Stelle zu bringen 
übernommen hatte. 
WVir Kinder waren bei diesom Veste besonders interessiert, 
weil es uns nicht wenig schmeichelte, unsern Großvater an einer 
so ehrenvollen Stelle zu sehen, und weil wir gewöhnlich noch 
selbigen Tag ihn ganz bescheiden zu besuchen pflegten, um, wenn 
die Großmutter den Pfeffer in ihre Gewürzladen geschũttet hãtte, 
einen Becher und Stäbehen, ein Paar Handschuhe oder einen alten 
Rãderalbus zu erhaschen. Man konnte sich diese symbolischen, das 
Altertum gleichsam hervorzaubernden Zeremonien nicht erklären 
lassen, ohne in vergangene Jahrhunderte wieder zurũekgefũhrt 
zu werden, ohne sich nach ditten, Gebräuchen und Gesinnungen 
unserer Altvordern zu erkundigen, die sich dureh wieder auf 
erstandene Pfeifer und Abgeordnete, ja dureh handgreifliche und 
für uns besitzbare Gaben auf eine so wunderliche Weise vergegen 
wãrtigten. Aus Goethes , Vahrbeit und Diehtung 
— — —— —eppp 
128. Die Leipziger Messen. 
Seit dem frühesten NMittelalter entstanden an vielen wiohti- 
geren Orten Deutschlands Jahrmärkte. Auf ihnen konnten die 
fremden Händler und Gewerbetreibenden unter dem Schutze der 
Marktfreiheit und des Marktfriedens ihre Waren feilbieten. Aus 
den Jahrmärkten entwickelten sich an manchen Plätzen allmäh- 
lich Messen, Märkte, die vorwiegend Umsätze im großen ver— 
mittelten und Verkäufer und Käufer aus größeren Entfernungeh 
zusammenführten, so auch in Leipzig, wo sich deren drei aus 
bildeten, eine Neujahrsmesse, eine Osstermesse und eine Nicha- 
elismesse.
	        
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