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sagten: „Warum sollen wir allein euch andere alle tragen und fort¬
schleppen? Schafft euch selbst Füße, wenn ihr gehen wollt!" Die
Hände sagten: „Warum sollen wir allein für euch andere arbeiten?
Schafft euch selbst Hände, wenn ihr welche gebraucht!" Der Mund
brummte: „Ich müßte wohl ein großer Narr sein, wenn ich immer
für den Magen Speise kauen wollte, damit er nach seiner Bequem¬
lichkeit verdauen möge; schaffe sich selbst einen Mund, wer einen nötig
hat!" Die Augen fanden es gleichfalls sehr sonderbar, daß sie allein
für den ganzen Leib beständig Wache halten und für ihn sehen sollten.
Und so sprachen auch alle die übrigen Glieder des Leibes, und eins
kündigte dem andern den Dienst auf. Was geschah? — Da die
Füße nicht mehr gehen, die Hände nicht mehr arbeiten, der Mund
nicht mehr essen, die Augen nicht mehr sehen wollten: so fing der
ganze Körper in allen seinen Gliedern an, zu welken und nach und
nach abzusterben. Da sahen die Glieder ein, daß sie thöricht gehandelt
hatten, und wurden einig, daß es künftig nicht wieder geschehen
sollte. Da diente wieder ein Glied dem andern, und alle wurden
wieder gesund und stark, wie sie vorher gewesen waren.
11. Drei Paare und einer.
Friedrich Rückert. Ges. poetische Werke. Frankfurt a/M. 1882. J. D. Sauerländer.
1. Du hast zwei Ohren und einen Mund;
willst du's beklagen?
Gar vieles sollst du hören und
wenig drauf sagen.
2. Du hast zwei Augen und einen Mund;
mach' dir's zu eigen!
Gar manches sollst du sehen und
manches verschweigen.
3. Du hast zwei Hände und einen Mund;
lern' es ermessen!
Zwei sind da zur Arbeit und
einer zum Essen.