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dichtstrahlen dem Dunkel der Nacht weichen mußten. Wie schade, daß die
Tropendämmerung in ihrer unvergleichlichen Farbenpracht von so kurzer
Dauer ist!
Das Kreischen der nach Hunderten zählenden Papageienschwärme, die
unter ohrenbetäubendem Lärmen ihre Schlafplätze aufsuchten, ist verstummt.
Auch die übrigen befiederten Bewohner der Llanos haben sich zur Ruhe
begeben, und nur hin und wieder ertönt der Ruf eines Nachtvogels. Aber
ein tausendstimmiges Konzert beginnt in den Sümpfen und Seen, wo un—
zählige Frösche allzu laut ihre Freude am Dasein kund geben; und feine
Stimmchen verkünden uns die Nähe eines wenig erbetenen Besuchers: des
Muskito, dieser entsetzlichen Plage der Tropen. Wehe dem Reisenden,
der, ohne Muskitonetz versehen, gezwungen ist, die Nacht in der Nähe von
Sümpfen oder sonstigen Gewässern zu verbringen! Mag er auch noch so
müde sein, diese winzigen Plagegeister gönnen ihm keinen Augenblick die
ersehnte Ruhe. Wo sich nur eine unbedeckte Körperstelle zeigt, stürzen sie
sich in unzähliger Menge darauf, um ihren Hunger an dem Blute ihres
unglücklichen Opfers zu stillen; und erst der anbrechende Morgen bringt
Erlösung von diesen Peinigern.
Mit einbrechender Nacht beginnt auch das gefürchtetste Raubtier der
Llanos, der Jaguar, seinen Raubzug. Bei Tage verläßt er sein Lager
nur, wenn starker Hunger ihn dazu treibt. Kurzes, dumpfes Brüllen ver—
kündet seine Nähe, und schaurig klingt seine Stimme durch die Nachtstille.
Die Gefährlichkeit des Jaguars wird sehr übertrieben; es kommt zwar hin
und wieder vor, daß er, von Hunger gepeinigt, Menschen angreift, dies aber
nur in Wäldern und dichten Gehölzen. In der offenen Savanne weicht
er ihm feige aus. Ich selbst bin dem Jaguar mehrmals in der Savanne
begegnet und habe häufig in den Llanos von Rio del Tigre, die ihres
Reichtums an Jaguaren wegen in Verruf steht, die Nacht allein im Freien
verbracht, bin aber niemals von ihnen belästigt worden. Den Vieh-⸗ und
Pferdeherden dagegen setzt er arg zu; nur an ausgewachsene Stiere wagt
er sich nicht heran.
Der Eindruck, den der von Maturin gen Süden ziehende Reisende
von den Llanos empfängt, ist durchaus verschieden von den, welchen die
weiter nach Westen sich hinziehenden großen Llanos von Barcelona
und Aragua hinterlassen. Nicht im entferntesten können letztere, was
Fruchtbarkeit und Schönheit anbelangt, mit ersteren sich messen. Die
sandigere Bodenbeschaffenheit, höhere Lage und Wasserarmut während der
trockenen Jahreszeit sind die natürlichen Ursachen hierfür. Von dem nörd—
lichen Küstengebirge senkt sich das Land in südöstlicher Richtung stufen—
weise und bildet dann eine fich gen Süden bis zum Orinoco ausdehnende
Hochebene. Zahlreiche Bäche und Flüsse kommen von ersterem herab und
bewässern das Tiefland, das, von der Höhe aus gesehen, den Eindruck eines
unendlichen Gartens macht.
Waährend die hochgelegenen Llanos nur unendliche dürre Grasflächen
mit äußerst spärlichem Baumwuchs aufweisen, sehen wir hier üppig