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222. König Friedrich und sein Nachbar.
König Friedrich II. von Preußen hatte acht Stunden von Berlin ein schönes
Lustschloß und war gern darin, wenn nur nicht ganz nahe daneben die unruhige
Mühle gewesen wäre. Denn erstlich stehen ein königliches Schloß und eine
Mühle nicht gut nebeneinander, obgleich das Weißbrot in dem Schloß auch nicht
übel schmeckt, wenn die Mühle fein gemahlen und der Ofen wohl gebacken
hat. Außerdem aber, wenn der König in seinen besten Gedanken war und
nicht an den Nachbar dachte, auf einmal setzte der Müller die Mühle in Be—
wegung und dachte auch nicht an den Herrn Nachbar, und die Gedanken des
Königs störten das Räderwerk der Mühle nicht, aber manchmal das Klapper—
werk der Räder die Gedanken des Königs. Der geneigte Leser sagt: „Ein König
hat Geld wie Laub; warum kauft er dem Nachbar die Mühle nicht ab und
läßt sie niederreißen?“ Der König wußte, warum. Denn eines Tages ließ er
den Müller zu sich rufen. „Ihr begreift“, sagte er zu ihm, ‚daß wir zwei
nicht nebeneinander bestehen können. Einer muß weichen. Was gebt Ihr mir
für mein Schlößlein?“ — Der Müller sagte: „Wie hoch haltet Ihr es, könig—
licher Herr Nachbar?“ — Der König erwiderte ihm: „Wunderlicher Mensch,
so viel Geld habt Ihr nicht, daß Ihr mir mein Schloß abkaufen könnt. Wie
hoch haltet Ihr Eure Mühle?“ — Der Müller erwiderte: „Gnädigster Herr,
so habt auch Ihr nicht so viel Geld, daß Ihr mir meine Mühle abkaufen
könnt. Sie ist mir nicht feil“ Der König that zwar ein Gebot, auch das
zweite und dritte; aber der Nachbar blieb bei seiner Rede: „Sie ist mir nicht
feil. Wie ich darin geboren bin“, sagte er, „so will ich darin sterben, und wie
sie mir von meinen Vätern erhalten worden ist, so sollen sie meine Nachkommen
von mir erhalten und auf ihr den Segen ihrer Vorfahren ererben.“ Da nahm
der König eine ernsthaftere Sprache an: „Wißt Ihr auch, guter Mann, daß
ich gar nicht nötig habe, viel Worte zu machen? Ich lasse Eure Mühle ab—
schätzen und breche sie ab. Nehmt alsdann das Geld, oder nehmt es nicht!“
Da lächelte der unerschrockene Mann, der Müller, und erwiderte dem König:
Gut gesagt, allergnädigster Herr, wenn nur das Kammergericht in Berlin nicht
wäre!· Nämlich, daß er es wolle auf einen richterlichen Ausspruch ankommen
lassen. Der König war ein gerechter Herr und konnte überaus gnädig sein,
also daß ihm die Herzhaftigkeit und Freimütigkeit einer Rede nicht mißfällig
war, sondern wohlgefiel. Denn er ließ von dieser Zeit an den Müller unan—
gefochten und unterhielt fortwährend mit ihm eine friedliche Nachbarschaft. Der
geneigte Leser aber darf schon ein wenig Achtung haben vor einem solchen
Nachbar und noch mehr vor einem solchen Herrn Nachbar. Gebel)
223. Priedrichs des Grosssen Vverdienste um
WVestpreussen und den Netzedöstrikt.
Neun Jahre nach dem Sehblusse des letzten Krieges, der um die
Behauptung Schlesiens geführt wurde, vergrölserte Priedrich seinen Staat