Full text: Lesebuch für weibliche Fortbildungs- und Feiertagsschulen

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13. In der Kinderstube. 
Wohl wenig Frauen haben so wenig gesprochen und so viel gethan, 
wie meine Mutter. In ihren jüngeren Jahren, als der Vater ein sehr 
dürftiges Einkommen und dabei ein saures Amt hatte, erwarb die Mutter 
öfters mit der Nadel bei nächtlicher Lampe, wenn die sechs Kinder und 
auch der ermüdete Vater schon längst schliefen, das, was diese sieben 
am Tag erquicken und bekleiden sollte. Ihre eigene liebste Erquickung 
bei der Arbeit waren die Loblieder, die sie ihrem Herrn mit sanfter 
Stimme sang; und diese Loblieder waren auch, besonders in den Morgen— 
und Abendstunden, fast ihre einzige Unterhaltung, wenn sie mit ihren 
frühe zum Fleiß gewöhnten Töchtern beim Arbeitstische saß. Wenn dann 
ein solches Lied geendigt war, dann schwieg sie meist gern und lang; 
denn ihr Herz und ihre Gedanken waren und blieben am liebsten bei 
dem, der ihres Lebens Trost und Lust und ihr Teil war. Darum lag 
ein solcher Segen auf allem, was diese fleißigen Hände thaten; denn es 
geschah alles im Gebet und Glauben. Gottes und der Menschen Wohl— 
gefallen weilte gerne bei dem Anblick des Friedens, der Ordnung und 
musterhaften Reinlichkeit, welche allenthalben in dem Hause wohnten. 
In ihrer früheren Armut, wie in dem nachmaligen mäßigen Wohlstand 
war sie eine Mutter der Verlassenen und Armen; weder Armut noch 
Reichtum konnten sie hindern, wohlthätig zu sein gegen jedermann. Als 
sie in ihren letzten Lebensjahren Witwe geworden, da blieb sie fast ohne 
Aufhören im Gebet. Nächst der heiligen Schrift und dem Singen der 
Loblieder beschäftigte sie sich zuletzt mit dem Lesen des Thomas von 
Kempis.*) 
ESchubert.) 
13. In der Kinderslube. 
A. Körperliche Kinderpflege. 
Die Kindererziehung ist ein so heiliges Amt, daß wir nur mit dem 
größten Ernste und der größten Sorgfalt an dasselbe herantreten sollen. 
Müttern, Schwestern und Kindermädchen fällt diese schwere Aufgabe zu. Mit 
dem Kinde haben wir die Zukunft in der Hand, den Geist des Vaterlandes, 
das Wohl der Menschheit. So weittragend ist deine Thätigkeit in der Kinder— 
stube, weibliches Geschlecht; darum wirke hier mit der ganzen Liebe und 
Wärme deines Gemütes, mit der ganzen Verständigkeit deines Wesens! 
Die Kinderpflege ist eine zweifache, die körperliche und die geistige. Da 
nur in einem gesunden Körper ein gesunder Geist wohnen kann, darf keine 
) Thomas von Kempis oder Kempen war ein frommer Augustinermönch im 
Kloster Kempen bei Köln, 1471. Sein Buch von der Nachfolge Christi enthält 
einen reichen Schatz christlicher Lehre, ist in sehr viele fremde Sprachen übersetzt und 
nach der Bibel am öftesten gedruckt.
	        
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