—16
13. In der Kinderstube.
Wohl wenig Frauen haben so wenig gesprochen und so viel gethan,
wie meine Mutter. In ihren jüngeren Jahren, als der Vater ein sehr
dürftiges Einkommen und dabei ein saures Amt hatte, erwarb die Mutter
öfters mit der Nadel bei nächtlicher Lampe, wenn die sechs Kinder und
auch der ermüdete Vater schon längst schliefen, das, was diese sieben
am Tag erquicken und bekleiden sollte. Ihre eigene liebste Erquickung
bei der Arbeit waren die Loblieder, die sie ihrem Herrn mit sanfter
Stimme sang; und diese Loblieder waren auch, besonders in den Morgen—
und Abendstunden, fast ihre einzige Unterhaltung, wenn sie mit ihren
frühe zum Fleiß gewöhnten Töchtern beim Arbeitstische saß. Wenn dann
ein solches Lied geendigt war, dann schwieg sie meist gern und lang;
denn ihr Herz und ihre Gedanken waren und blieben am liebsten bei
dem, der ihres Lebens Trost und Lust und ihr Teil war. Darum lag
ein solcher Segen auf allem, was diese fleißigen Hände thaten; denn es
geschah alles im Gebet und Glauben. Gottes und der Menschen Wohl—
gefallen weilte gerne bei dem Anblick des Friedens, der Ordnung und
musterhaften Reinlichkeit, welche allenthalben in dem Hause wohnten.
In ihrer früheren Armut, wie in dem nachmaligen mäßigen Wohlstand
war sie eine Mutter der Verlassenen und Armen; weder Armut noch
Reichtum konnten sie hindern, wohlthätig zu sein gegen jedermann. Als
sie in ihren letzten Lebensjahren Witwe geworden, da blieb sie fast ohne
Aufhören im Gebet. Nächst der heiligen Schrift und dem Singen der
Loblieder beschäftigte sie sich zuletzt mit dem Lesen des Thomas von
Kempis.*)
ESchubert.)
13. In der Kinderslube.
A. Körperliche Kinderpflege.
Die Kindererziehung ist ein so heiliges Amt, daß wir nur mit dem
größten Ernste und der größten Sorgfalt an dasselbe herantreten sollen.
Müttern, Schwestern und Kindermädchen fällt diese schwere Aufgabe zu. Mit
dem Kinde haben wir die Zukunft in der Hand, den Geist des Vaterlandes,
das Wohl der Menschheit. So weittragend ist deine Thätigkeit in der Kinder—
stube, weibliches Geschlecht; darum wirke hier mit der ganzen Liebe und
Wärme deines Gemütes, mit der ganzen Verständigkeit deines Wesens!
Die Kinderpflege ist eine zweifache, die körperliche und die geistige. Da
nur in einem gesunden Körper ein gesunder Geist wohnen kann, darf keine
) Thomas von Kempis oder Kempen war ein frommer Augustinermönch im
Kloster Kempen bei Köln, 1471. Sein Buch von der Nachfolge Christi enthält
einen reichen Schatz christlicher Lehre, ist in sehr viele fremde Sprachen übersetzt und
nach der Bibel am öftesten gedruckt.