Volltext: Größeres Lesebuch für Fortbildungsschulen in Stadt und Land

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wohnungen in öder Gleichförmigkeit, ohne gepflegten Garten und 
schattigen Baum, aus. Alles scheint erst gestern und nur für vorüber— 
gehenden Gebrauch gebaut zu sein. Wir fühlen uns beklommen in dieser 
ruhelosen Gewerbswelt; und doch zieht uns das gewaltige Leben und 
Treiben unwiderstehlich an. Treten wir z. B. in ein Eisenwerk! 
Kaum wagen wir es, den Fuß voran zu setzen. Das Rasseln und 
Donnern der von Dampfmaschinen in Bewegung gesetzten Räder und 
Hämmer betäubt uns, und zwischen all' dem Getreibe scheint kein Durch— 
gang möglich. Eben sind wir der gewaltigen Eisenstange eines Puddlers 
ausgewichen; da rasselt uns ein Rollwagen mit einem glühenden, weithin 
scheinenden Eisenklumpen entgegen; hier windet eine glühende, schnell 
wachsende Schlange sich vor unseren Füßen; dort droht ein Rad in seinem 
rasenden Umschwunge uns zu ergreifen. Endlich haben wir ein sicheres 
Plätzchen gefunden. Da lassen wir nun ruhiger unsern Blick über das 
ganze Gewirr e und erfreuen uns anfangs an dem großartigen 
Feuerwerk. Bald aber haben wir uns soweit gesammelt, daß wir ein 
Stück Arbeit von seinem Anfange bis zur Vollendung versfolgen 
können. Dort in dem Ofen glüht eine Masse geschmolzenen Roheisens. 
Ein Arbeiter rührt darin mit schwerer Eisenstange, um die sich ein 
rundlicher Ballen bildet. Der wird mit einer mächtigen Zange hervor— 
gezogen, auf einen eisernen Wagen geworfen und rasch unter den Hammer 
gebracht, und bald ist der funkensprühende Klumpen zu einem länglichen 
Viereck geformt. Dieses führt der Wagen gleich unter die Luppenwalze, 
und wieder sprühend und knallend fährt das Eisen hindurch, bis es sich 
zu der 4 em dicken, 3 bis 5m langen Luppe gestaltet hat. Diese Luppen 
werden nachher mit einer Schere in Stücke geschnitten und in Paketen 
von 250 Kilo in den Schweißofen gebracht; von da werden die wiederum 
glühenden Blöcke auf eisernen Karren zur Schienenwalze geführt. Der 
glühende Block wird mit Zangen gefaßt und unter die Walzen gebracht. 
Mit lautem Geprassel fährt er hindurch, wird wieder herübergezogen und 
abermals hindurch getrieben. Jedesmal in neuer Gestalt windet sich das 
glühende Eisen auf der anderen Seite hervor, bis es seine gehörige Form 
und Länge hat. Noch immer glühend wird es auf dem aus Eisenplatten 
hestehenden Boden durch einige Hammerschläge gerade gerichtet, dann 
schnell an eine Stelle gezogen, wo zwei Kreissägen aus dem Boden hervor— 
stehen und in rascher Umdrehung von beiden Enden der Stange so viel 
abschneiden, daß sie die richtige Länge hat. Die Eisenbahnschiene ist 
fertig, und das Ganze hat nur wenige Minuten gedauert. Unter anderen 
Walzen gestaltet sich das Eisen zu den großen Platten, aus denen die 
Dampfkessel zusammengesetzt werden, wieder unter anderen zu Rädern 
für die e e e . In nicht großer Entfernung von einer solchen 
Kette von Eisenwerken deuten zahllose über die Ebene zerstreute Dampf— 
schornsteine uns an, daß wir uns einem der reichen Kohlengebiete West— 
falens nähern, und noch deutlicher sagt uns dies der schwarze Staub der 
Straße und die Fracht der zahlreichen Wagen, welche den industriellen 
Anlagen das in so glücklicher Nähe vorhandene Brennmaterial zuführen. 
Daniel.
	        
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