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3. Der Sänger.
„Was hör' ich draußen vor dem Thor,
was auf der Brücke schallen?
Laßt den Gesang vor unser'm Ohr
im Saale wiederhallen!“
Der König sprach's; der Page lief;
der Knabe kam, der König rief:
„Laßt mir herein den Alten!“
„Gegrüßet seid mir, edle Herr'n,
gegrüßt ihr, schöne Damen!
Welch reicher Himmel! Stern bei Stern!
Wer kennet ihre Namen?
Im Saal voll Pracht und Herrlichleit
schließt, Augen, euch; hier ist nicht Zeit,
sich staunend zu ergötzen.“
Der Sänger drückt' die Augen ein
und schlug in vollen Tönen;
die Ritter schauten mutig d'rein
und in den Schoß die Schönen.
Der König, dem das Lied gefiel,
ließ, ihn zu ehren für sein Spiel,
eine goldne Kette reichen.
„Die goldne Kette gieb mir nicht,
die Kette gieb den Riltern,
vor deren kühnem Angesicht
der Feinde Lanzen splittern;
gieb sie dem Kanzler, den du hast,
und laß' ihn noch die goldne Last
zu andern Lasten tragen.
Ich singe, wie der Vogel singt,
der in den Zweigen wohnet;
das Lied, das aus der Kehle dringt,
ist Lohn, der reichlich lohnet;
doch darf ich bitten, bitt' ich eins:
Laß mir den besten Becher Weins
in purem Golde reichen.“
Er setzt' ihn an; er trank ihn aus:
„O Trank voͤll süßer Labe!
o, wohl dem hochbeglückten Haus,
wo das ist kleine Gabe!
Ergeht's euch wohl, so denkt an mich,
und danket Gott so warm, als ich
für diesen Trunk euch danke.“
Goethe.
4. Frühlings Auferstehung.
Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
durch des Frühlings holden, belebenden Blick;
im Thale grünet Hoffnungsglück!
Der alte Winter in seiner Schwäche
zog sich in rauhe Berge zurück.
Von dorther sendet er, fliehend, nur
ohnmächtige Schauer körnigen Eises
in Streifen über die grünende Flur;
aber die Sonne duldet kein Weißes;
überall regt sich Bildung und Streben
alles will sie mit Farben beleben;
doch an Blumen fehlt's im Revier;
sie nimmt geputzte Menschen dafür.
Kehre dich um, von diesen Höhen
nach der Stadt zurück zu sehen.
Aus dem hohlen finstern Thor
dringt ein buntes Gewimmel hervor.
Jeder sonnt sich heute so gern;
sie feiern die Auferstehung des Herrn:
denn sie sind selber auferstanden,
aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
aus Handwerls⸗ und Gewerbes-Banden,
aus dem Druck von Giebeln und Dächern,
aus der Straßen quetschender Enge,
aus der Kirchen ehrwürd'ger Nacht
sind sie alle an's Licht gebracht.
Sieh nur, sieh! wie behend sich die Menge
durch die Gärten und Felder zerschlägt,