Full text: [Teil 3 = Klasse 7, [Schülerband]] (Teil 3 = Klasse 7, [Schülerband])

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von den Gefährten. Ich selbst kroch einem großen Bock, dem König 
der Herde, unter den Bauch, hielt mich an der Wolle fest und ließ mich 
von ihm fortschleppen. Alle kamen glücklich durch, während der Zyklop 
die Rücken betastete; nur als mein Bock mit der ungewohnten Last als 
letzter nachkeuchte, erkannte er ihn und hielt ihn an. „Du armes Tier 
trauerst wohl mit mir, daß der schlaue Niemand mir das Auge geblendet 
hat? Aber sei ruhig, der soll seinem Schicksal nicht entgehen, dem 
wollen wir den Kopf gegen die Felswände schmettern. O, könntest du 
mir nur zeigen, wo er steckt, da solltest du dich freuen!" Damit entließ 
er den Bock, und sobald wir ein Stück Weges fort waren, befreite ich 
die Gefährten aus ihren Banden, und schnell trieben wir das Vieh vor 
uns her und lösten unser Schiff vom Ufer. Als wir einen Pfeilschuß 
weit ins Meer gesteuert waren, sahen wir noch den Zyklopen am Ufer 
stehen und sich die blutige Stirn befühlen. Da lockte mich's, ihn mit 
höhnenden Worten zu kränken, und ich rief: „Höre doch, Zyklop, wo 
jetzt deine Gäste sind! Entronnen aus deiner Höhle, und du büßest den 
Mord meiner armen Gefährten mit dem Verluste des Auges!" Voll 
Wut ergriff er einen mächtigen Felsblock und warf ihn dahin, von wo 
die Stimme erschollen war. Hoch wogte das Meer, und das Schiff 
wurde wieder ans Ufer getrieben. Aber als die Gefährten sich wieder 
losgearbeitet hatten, rief ich noch einmal: „Höre, Zyklop, wenn man 
dich fragt, wer dein Auge geblendet, so sage: das hat Odysseus getan, 
Laertes' Sohn, der auf der Heimfahrt von Troja vorbeikam!" „O 
wehe mir!" heulte da der Blinde, „längst hatte mir ein Seher prophezeit, 
daß mich Odysseus besiegen würde, und stets wartete ich auf einen 
mächtigen, tapfern Mann, und nun kommt ein solch elender Wicht, ein 
Zwerg, der mich betrunken macht — wehe mir! Aber höre doch, 
Odysseus, komm nur wieder ans Land, ich will dir verzeihen und dir 
ein Gastgeschenk geben. Das Auge vermag mein Vater gewiß wieder 
zu heilen." „Nein, gewiß nicht," rief ich. „Wenn ich nur über alles 
so sicher wäre, als daß weder Poseidon noch ein anderer Gott dir ein 
neues Auge verleihen wird." Und da betete er laut zum Meergott, er 
möge mich untergehen lassen, oder, wenn mir Heimkehr vom Schicksal 
bestimmt sei, möge viel Leid mich noch unterwegs treffen und in der 
Heimat erwarten. Nur zu sehr ist das Gebet erhört worden! Noch 
ein neues Felsstück warf er nach uns, und traf auch fast das Schiff; 
aber wir arbeiteten uns wieder los und gelangten endlich nach der 
Ziegeninsel, wo wir die geraubten Widder opferten und den Tod unserer 
armen Genossen beklagten." 
3. 
„Nachdem wir noch manch schweren Kampf mit Stürmen und 
grausamen Menschen bestanden hatten, blieb mir von meinen elf Schiffen
	        
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