Full text: Unterstufe: Zweiter Kursus (Teil 2, [Schülerband])

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daß ich tanze; denn es ziemet sich zu freuen mit den Fröhlichen. O Hahn, 
du edler Fürst aller Vögel, du bist nicht allein begabt zu fliegen in den 
Lüften, nein, auch hohe Sehergaben lieh dir die Natur. Wie glücklich 
wäre ich, gönntest du mir deine Gunst! Wie gerne küßte ich dein weisheit¬ 
gesalbtes, verehrtes Haupt! O, wenn ich dann verkündigen könnte meinen 
Freunden: Mir hat der Prophet sein Haupt zum Kusse hingeneigt!" Der 
alberne Hahn glaubte dem Schmeichelwort des arglistigen Fuchses, flog 
vom Baume und hielt ihm seinen Kopf zum Küssen hin. Mit einem 
Schnapper war er abgebissen, und lachend sprach der Fuchs: „Wahrlich, 
ich habe den Propheten ohne allen Verstand befunden." 
Ludwig Bechstein. 
47. Die Zwerge im Haslithale. 
Wie war die Zeit so lieblich, der Tag so froh und klar, 
Als noch mit jedem Morgen der Zwerge bunte Schar 
Stieg aus den Bergesklüften herab in Wies' und Feld! 
Wie haben sie so traulich den Menschen sich gesellt! 
Da schadete kein Regen, kein Hagel dem Getreid'; 
Die klugen Zwerge wußten's, sie schnitten's vor der Zeit. 
Sie schafften in den Feldern, in Haus und Hos und Stall, 
Und Menschen, Vieh und Früchte gediehen überall. 
Da droben auf der Wiese, noch steht der Ahorn da, 
Wo man aus schwankem Aste- die Zwerglein sitzen sah. 
Dort saßen sie im Schatten, die kleinen Gesellen treu, 
Wenn unten die Mähder wandten das frische, duftige Heu. 
's ist über Nacht geschehen, daß man zersägt den Ast, 
Er hing nur noch am Stamme, ihn hielt ein Streiflein Bast. 
Arglos am Morgen kamen die Kleinen allzugleich; 
Sie klommen auf den Ahorn und sprangen auf den Zweig. 
Da ist der Bast gerissen, der Ast, er kracht und fällt, 
Die treuen Zwerglein stürzen gar jämmerlich ins Feld. 
Wer mochte da sich freuen, der das mit angesehn? 
Wer mochte da noch lachen? Und dennoch ist's geschehn. 
Sie aber raffen eilig sich von dem Boden auf 
Und heben Händ' und Stimmen erzürnt zum Himmel auf: 
„O dort der blaue Himmel, wie ist er hoch und hehr, 
Und o wie groß die Untreu'! Heut hier und nimmermehr!" —
	        
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