Full text: Lesebuch für landwirtschaftliche Winterschulen und ländliche Fortbildungsschulen

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99. Die Verdienste Friedrich Wilhelms J. und Friedrichs 
des Großen um die Landwirtschaft. 
Diese beiden großen preußischen Könige, so sehr verschieden in ihren 
Charakleren und ihren Neigungen, waren doch einander völlig gleich in 
ihter Fürsorge für das Wohl ihres Landes. „Die Könige sind zum Arbeiten 
ecloren! und „Ich bin der erste Diener des Staates!“ das waren ihre 
Wahlsprüche, die sie treulich befolgt haben. Ihre unermüdliche Tätigkeit ist 
besonders auch der Landwirtschaft zugute gekommen. 
Der preußische Staat war damals noch ein verhältnismäßig kleines 
und schwach bevölkertes Land. Darum ließen diese Herrscher es sich ange— 
legen sein, auswärtige Ansiedler zu gewinnen. Sie gaben ihnen Grund 
lund Boden, erbauten ihnen Häuser und befreiten sie auf längere Zeit von 
allen Lasten und Abgaben. So erreichte es Friedrich Wilhelm J., daß 
bis zum Jahr 1728 sich an 20000 neue Familien in Preußen ansiedelten, 
und diese Zahl wurde 1731 durch 17 000 vertriebene Salzburger vermehrt. 
Friedrich der Große hatte nach und nach an 50000 Familien ins Land 
gezogen. Er brachte die Ansiedler in solchen Gegenden unter, für die sie 
am besten geeignet erschienen: Württemberger und Hessen in Bezirken mit 
reichem Ackerbau, Holländer und Ostfriesen dort, wo es galt, Viehzucht und 
Molkereiwesen zu heben, die Pfälzer in Gegenden, wo sich Obst- und 
Gartenbau treiben ließ usw. Diese Einwanderung diente hauptsächlich zur 
Förderung der Landwirtschaft. 
Großes haben beide Fürsten getan, um die bebaubare Ackerfläche zu 
vermehren. Weite Strecken sind mit unendlicher Mühe und außerordent— 
lichen Kosten urbar gemacht worden. So verwandelte Friedrich Wilhelm J. 
das havelländische Luch bei Friesack durch Abzugsgräben in Ackerland; ganz 
außerordentliche Erfolge aber erreichte er in Ostpreußen, das durch Pest 
und Mißwirtschaft ganz heruntergekommen war. Er hat dort im Laufe 
seiner Regierung 49 Domänengüter neu angebaut, 12 Städte und 330 Dörfer 
gegründet. Sein Sohn entfaltete dieselbe schöpferische Tätigkeit beim Oder⸗ 
und Warthebruch. Erstere Gegend wurde innerhalb 7 Jahren aus Sumpfland 
in fruchtbares Ackerland umgestaltet, sodaß etwa 225 000 Morgen gewonnen 
wurben. 1200 Familien konnten darauf angesiedelt werden, und als der König 
dies sein vollendetes Werk besichtigte, rief er freudig aus: „Hier habe ich eine 
Provinz im Frieden exobert!“ Auch im Warthebruch gewann er ca. 
23 000 Morgen. Dieser König bekümmerte sich bis ins einzelne um die 
Landwirtschaft. Er suchte durch Einführung besserer Fruchtfolge und durch 
Hebung der Viehzucht einzuwirken; er führte den Anbau der Kartoffel ein, 
drang auf Verbreitung des Anbaues von Futterkräutern, ließ von auswärts 
edlere Schafe kommen usw. In einem Briefe von 1776 schreibt er: „Ich 
gestehe zu, daß, Lybien ausgenommen, wenige Staaten sich rühmen können, 
uns vn Sand gleich zu tun, indessen machen wir doch in diesem Jahre 
77 000 Morgen zu Wiesen; diese werden 7000 Kühen Futter geben; der 
Dünger von ihnen wird uns unseren Sandboden fetter machen, und die 
Ernten werden noch ergiebiger ausfallen ꝛc.“ 
Der Bauernstand war damals unfrei, an die Scholle gefesselt und mit 
Diensten und Lasten aufs höchste beschwert. Die Zeitverhältnisse haben es
	        
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