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als der Gipfel des Brocken im Harz. So blickt man von seinen freien
Höhen meilenweit in die Lande hinaus und ersteigt in kurzer Zeit von
hier aus die Hauptgipfel des Gebirges: die Schneekoppe, den höchsten
Gipfel des deutschen Mittelgebirges (1666 m), eine der beiden Sturm—
hauben, den Mittaägstein, den Reifträger oder das Hohe Rad. Man schaut
in die Schlünde der beiden Schneegruben, in denen oft bis zu Beginn
des Sommers noch Schneemassen lagern, beobachtet die Spuren einer
ehemaligen vorzeitlichen Vergletscherung dieses Gebirges und sammelt
zwischen den Buschen des Knieholzes, der alpinen Krummholzfichte, manche
seltene Hochgebirgspflanzen, wie den Teufelsbart und das Veilchenmoos.
stlich, vom Riesengebirge bereitet der Sudetenzug dem Wanderer eine
neue Überraschung, und zeigt in der alten Grafschaft Glatz das Bild eines
Gebirgskessels, wie er sonst nirgendwo in den deutschen Gebirgen so ausge—
bildet vorkommt. Hohe Bergzüge schauen rings mit stolzen Gipfeln auf
das wellenförmige Land, in welchem die Glatzer Neisse von allen Seiten
ihre Quell- und Nebenbäche sammelt.
Durch das Gebiet des stolzen Schneeberges wandert man weiter,
immer im Bereiche der Gebirge und sieht vor sich das Altvatergebirge
aufragen, das in dem gleichnamigen Hauptberge noch einmal eine Höhe
von 1490 mn erreicht. Hier steht man nahe an den Grenzen Deutschlands;
man blickt ostwärts über die Höhen des Mährischen Gesenkes schon zu den
Beskiden hinüber, hinter denen ein fremdes Gebirge, die Karpathen, sich
in der hohen Tatra mit weißen Schneegipfeln emporhebt.
II. Teil Die übrigen Gebirgszuge
In nordwestlicher Richtung geht vom Fichtelgebirge, dem schon er—
wähnten Vereinigungs- und Knotenpunkte, ein anderer Gebirgszug aus.
Anfangs heißt er Frankenwald und liegt, wenig besiedelt, von dichten
Forsten umhüllt, in dem nördlichsten Winkel Bayerns. Aber je weiter nun
dies Gebirge als Thüringer Wald weiterstreicht, um so bevölkerter werden
seine umliegenden Gaue, um so anmutiger die vorgelagerten Höhen, welche
die gesegnelen Täler der Saale und der Werra samt ihren Nebenbächen
umgrenzen. Das bunte Gebiet der sächsisch-thüringischen Kleinstaaten liegt
in diesemn Teile Deutschlands ausgebreitet, und der rüstige Wanderer über—
schreitet der Landesgrenzen oft ein halbes Dutzend an einem einzigen Tage.
Ein wahrer Kranz denkwürdiger und betriebsamer Städte schlingt sich um
den Thüringerwald. Hier liegt Erfurt, die Garten. und Blumenstadt,
Weimar mit seinen Erinnerungen an Deutschlands größte Dichter, Gotha
und Rudolstadt, Coburg und Hildburghausen, Meiningen, Schmalkalden
und Eisenach mit der Wartburg, wo die Erinnerungen an den Sänger—
krieg, an Luther und die heilige Elisabeth vor dem Besucher lebendig
werden. Aber auch nördlich von diesem Punkte, wo der Thüringerwald
endet, erheben sich aus der wechselvollen, reich bebauten Hügellandschaft
einzelne niedere Gebirgszüge und höhere Gruppen, unter denen stolz der
sagenumwobene Kyffhäuser mit seinem Riesendenkmal Kaiser Friedrich
Barbarossas emporragt. Aber dann stellt nordwärts von diesen Gauen
das deutsche Mittelgebirge im Harz noch einmal eine Hochwarte stolzester
Form als Eckpfeiler gegen die Ebenen hinaus dar. Staunend wandert