Full text: Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen

3. Zwei Meister. 
hin“. Und so war es auch. Er blieb sein Leben lang der arme 
Bruder Wonichtsist, weil es ihm nie der Muhe wert war, mit einem 
kleinen Ersparnis den Anfang zu machen, um nach und nach zu 
einem grossen vermögen zu kommen. 
So dachte der jungere Bruder nicht. Der pflegte zu sagen: „Was 
nicht ist, das kKann werden“. Er hielt das Woenige, was ihim von 
der Verlassenschaft seiner Eltörn 2u teil worden War, zu Rat und vor- 
mehrte es nach und nach durch eigenes Prsparnis, indem or fleissig 
arbeitete und eingezogen lebto. Anfanglich ging es hart und langsam. 
Aber sein Sprichwort: „Was nicht ist, Kann werden“, gab ihm immoer 
Mut und Hoffnung. NMit der Zeit ging es besser. Er wurde durch 
unverdrossenen Fleiss noch ein reicher Mann und ernahrt jetzt die 
Kinder des armen Bruders Wonichtsist, der selber nichts zu beissen 
und zu nagen hat. 
Gol, Feter Rebel, geb. 1760 zu Basel, f 22. Sept. 1826 æ2u Schwetzingen als Pralat und 
Konsistorialrat zu Karlsruhbe.) 
3. Zwei Meister. 
1. Der Kupferschmied Großkopf sagte mir schon vor 20 Jahren: „Aus 
meinen beiden Buben soll's was Rechtes geben: Staatsmann, Doktor oder 
Pfarrer. Sie sollen studieren! Zum Handwerker taugen sie nicht! schwere 
Arbeit lieben sie nicht; Handwerk bringt nur mäßigen Gewinn. Ich halte 
die Knaben fleißig zur Schule an; das ist die Pflicht verständiger Eltern!“ 
Meister Großkopf hielt Wort. War freilich ein etwas eitler Mann, 
kleidete sich gern zierlich, hatte den Sinn nach hohen Dingen, Z3 wie 
ein Gelehrter und seufzte manchmal über seinen Vater, der ihm doch ein 
schönes Vermögen hinterlassen hatte. „Aber hätte ich studieren dürfen, ich 
wäre jetzt ein anderer Mann“, sagte Meister Großkopf. 
Was ist aus seinen Herren Söhnen geworden? Sie hatten wenig 
Talent und wenig Fleiß, verstudierten viel Geld und wurden Halbstudierte. 
Der eine ist jetzt armer Schreiber oder Kopist auf einer Kanzlei, der andere 
Soldat im neapolitanischen Dienst. Meister Großkopf hat falliert und ist 
unter hohen Dingen ein niederer Mann geworden, der vom Stadtarmen— 
säckel unterstützt wird. 
Es leben bei uns noch mehr dergleichen Großköpfe. Ehrliches Hand⸗ 
werk ist ihnen zu schlecht. Sie wollen große Herren werden, treiben bald 
dies, bald das und nichts recht, weil sie nichts gehörig verstehen. Wird ein 
Pöstlein bei der Stadt offen, melden sich dieser Leute ein Dutzend. Sie 
gehen gerne spazieren; ihre Frauen wollen gerne stolzieren. Hochmut führt 
zuletzt immer zu anderem Mut, nämlich zu Armut, Demut und Wehmut. 
2. Ich wollte, unsere Handwerker machten es insgesamt wie Meister 
Wunderlich der Dreher. Er ist ein eigener Mann in seiner Art. Als er 
nach zurückgelegter Wanderzeit aus der Fremde zurückkam, besaß er kaum 
soviel, sich das nötige Werkzeug anzuschaffen. Er hatte in London, Paris
	        
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