94
Die huben an auf ihn zu schießen,
nach ihm zu werfen mit den Spießen.
Der wackre Schwabe forcht sich nit,
ging seines Weges Schritt vor Schritt,
Ließ sich den Schild mit Pfeilen spicken
und thät nur spöttlich um sich blicken:
Bis einer, dem die Zeit zu lang,
auf ihn den krummen Säbel schwang.
Da wallt dem Deutschen auch sein Blut;
er trifft des Türken Pferd so gut;
Er haut ihm ab mit einem Streich
die beiden Vorderfüß zugleich.
Als er das Tier zu Fall gebracht,
da faßt er erst sein Schwert mit Macht:
Er schwingt es auf des Reiters Kopf,
haut durch bis auf den Sattelknopf,
Haut auch den Sattel noch zu Stücken
und tief noch in des Pferdes Rücken:
Zur Rechten sieht man wie zur Linken
einen halben Türken heruntersinken.
Da packt die andern kalter Graus:
sie fliehen in alle Welt hinaus,
Und jedem ist's, als würd ihm mitten
durch Kopf und Leib hindurch geschnitten.
Drauf kam des Wegs eine Christenschar,
die auch zurückgeblieben war;
Die sahen nun mit gutem Bedacht,
was Arbeit unser Held gemacht.
Von denen hats der Kaiser vernommen:
der ließ den Schwaben vor sich kommen;
Er sprach: Sag an, mein Ritter wert!
wer hat dich solche Streiche gelehrt?
Der Held bedacht sich nicht zu lang:
Die Streiche sind bei uns im Schwang,
Sie sind bekannt im ganzen Reiche,
man nennt sie halt nur Schwabenstreiche!
103.
Meister Hämmerlein.
WVon J. F. Schlez. Der Denkfreund. Gießen 1824.)
VOr etlichen und dreißig Jahren starb in einem preußischen Dorfe decr
Gemeindeschmied Jakob Horn. Im gemeinen Leben hieß er nicht anders als
Meister Hämmerlein.
„Meister Hämmerlein? Ei warum denn Meister Hämmerlein?“
Weil er die sonderbare Gewohnheit hatte, wo er ging und stand, sein
Hämmerlein und ein paar Nägel in der Tasche zu führen und an allen Thoren,
Thüren und Zäunen zu hämmern, wo er etwas loß und ledig fand. Vielleicht
auch weil er über seinem Hämmerlein Gemeindeschmied des Dorfes geworden war.
„Wie wäre denn das zugegangen?“
Ganz natürlich, wie ihr sogleich hören sollt. Sein Vorfahr war gestorben.
Vier wackere Burschen hatten sich um den Dienst gemeldet und dem und jenem
allerlei versprochen. Meister Hämmerlein hatte sich nicht gemeldet und nichts
versprochen; er hämmerte bloß ein wenig an einer Gartenthür und erhielt dafür
den Dienst.
„Und bloß für ein bißchen Hämmern?“
Bloß für ein bißchen Hämmern! An einer Gartenthüre, nahe am Dorfe,
hing schon wochenlang ein Brett ab. Meister Hämmerlein kam mit seinem
Felleisen des Weges her. Flugs langte er einen Nagel und sein Hämmerlein
aus der Tasche und nagelte das Brett fest. Das sah der Dorfschulze. Ihm
schien es sonderbar, daß der landfremde Mensch das Brett nicht los sehen konnte,
das doch selbst der Eigentümer des Gartens wohl zwanzigmal so gesehen hatte,
ohne es fest zu machen. Er wollte ihn anreden, aber der Bursche war fort, ehe
er ihm nahe genug kam.
Ein paar Stunden darauf ging der Schulze in die Dorfschenke. Sogleich
fiel ihm der junge Mensch ins Gesicht. Er saß ganz allein an einem Tischchen