Full text: (Für die mittleren Klassen) (Abteilung 2, [Schülerband])

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Drum ist mein Antrag, ohne weit zu schweifen: 
Laßt uns auf nächsten Samstag uns vertagen, 
Die Zeit bringt Rat; sie wird die Sache reifen." 
Beschlossen ward, worauf er angetragen. 
Die Frist verstrich bei ew'gen Regenschauern, 
Hinbrüten drauf und bräuchlichen Gelagen. 
Der Samstag kam und sah dieselben Mauern 
Umfassen noch des Landes Rat und Hort, 
Und sah den leid'gen Regen ewig dauern. 
Der Landesmarschall sprach ein ernstes Wort: 
„Hochmögende, nun thut nach eurer Pflicht! 
Ihr seht, der Regen regnet ewig fort. 
Wer ist es, der das Wort der Weisheit spricht? 
Wer bringt in unseres Sinnens düstre Nacht 
Das lang erwartete, begehrte Licht? 
Zur That! Ihr habt erwogen und bedacht. 
Ich wende mich zuerst an diesen Alten, 
Des Scharfsinn einmal uns schon Trost gebracht. 
Ehrwürd'ger Greis, laß deine Weisheit walten!" 
Der stand und sprach: „Ich bin ein alter Mann. 
Ich will euch meinen Rat nicht vorenthalten. 
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Wir sehn es vierzehn Tage noch mit an, 
Und hat der Regen dann nicht aufgehört, 
Gut! regn' es dann, fo lang' es will und kann!" — 
Er schwieg; es schwiegen, die das Wort gehört. 
Noch eine Weile staunend — dann erscholl 
Des Beifalls Jubelnachklang ungestört. 
Einstimmig, heißt es in dem Protokoll, 
Einstimmig ward der Ratschluß angenommen, 
Der nun Gesetzeskraft behalten soll. — 
So schloß ein Szekler Landtag, der zum Frommen 
Des Landes Weiseres vielleicht geraten, 
Als mancher, dessen Preis auf uns gekommen. 
So wie die Väter stolz auf ihre Thaten, 
Nach gebräuchlichen Gelagen heimgekehrt, 
Erschien die Sonne, trockneten die Saaten, 
Und schwankten heim die Wagen goldbeschwert. Chamisso
	        
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