71. Martin Luthers Jugend.
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71. Martin Luthers Jugend.
Nach I. Disselhoff, Jubelbüchlein zu Luthers 400. Geburtstage. 1883.
Nicht weit von der Stadt Eisenach mit der berühmten
Wartburg liegt das Dörflein Möhra. Seine Einwohner waren
vor Zeiten ein derbes, kräftiges Bauerngeschlecht. Im Jahre
1483 zog einer von ihnen, Hans Luther, der zugleich Berg¬
mann war, mit seiner jungen Ehefrau Margarete, geb. Ziegler,
nach Eisleben, wo der Bergbau mehr abwarf. Dort wurde
ihnen am 10. November ein Knäblein geboren, das Tags darauf
in der Petrikirche getauft und Martin genannt wurde.
Als der Knabe sechs Monate alt war, zogen die Eltern
von Eisleben nach dem nahen Mansfeld, welches die Haupt¬
stadt der Grafschaft war. Die beiden Eltern haben ums tägliche
Brot schwer arbeiten müssen und dabei nicht Wetter und Wind,
noch Sonnenbrand gescheut. Dessen hat Luther sich niemals ge¬
schämt. „Ich bin", erzählt er, „eines Bauern Sohn. Mein
Vater, Großvater und Ahnherren sind rechte Bauern gewest.
Mein Vater ist ein armer Berghäuer gewest. Die Mutter hat
all ihr Holz auf dem Rücken eingetragen, damit sie uns erziehen
könnte. Sie hatten sich's lassen blutsauer werden." —
Späterhin haben sie sich wacker emporgearbeitet, also daß
der Vater einer der vier Ratsherren geworden ist, geehrt und
geliebt von jedermann. Sie sind aber allezeit gottesfürchtige
Leute geblieben, schlecht und recht und haben auf Zucht und
Ordnung gehalten. Darin haben sie auch die Kinder erzogen,
auch oftmals über ihrem Bettlein gebetet; denn sie hatten im
Sinne, daß etwas Rechtes aus ihnen würde. Das hat ihnen
Luther auch allezeit warm gedankt. „Durch ihren sauren Schweiß",
rühmt er, „hat mich der Vater der Barmherzigkeit ernähret und
erzogen zu allem, was ich nur bin."
Der kleine Martinus mußte frühe in die Schule, und da
dieselbe am oberen Ende der Stadt lag, wo sie sich den steilen
Berg hinaufzieht, hat der Vater ihn oftmals auf den Armen
hinaufgetragen, und manch andres Mal hat ein älterer Kamerad,
namens Ömler, dem kleinen Burschen diesen Liebesdienst gethan.
Das hat Luther niemals vergessen, und..noch ein paar Jahre vor
seinem Ende hat er dem lieben Freund Ömler ein artiges Sprüch¬
lein in seine lutherische Bibel eingeschrieben. In der Schule
lernte Martin lesen und schreiben, die zehn Gebote, den christlichen
Glauben und etwas Latein. Er hat aber dabei viel Angst und
Zittern ausstehen müssen; denn sein Schulmeister war ein ge¬
strenger Herr. An einem Vormittag, erzählt Luther, habe er
einst fünfzehnmal Schläge bekommen ohne sein Verschulden, denn
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