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4. „Ihr Völker! die ihr viel gelitten,
Vergaßt auch ihr den schwülen Tag?
Das Herrlichte, was ihr erstritten,
Wie kommt's, daß es nicht frommen mag?
Zermalmt habt ihr die fremden Horden;
Doch innen hat sich nichts gehellt,
Und Freie seid ihr nicht geworden,
Wenn ihr das Recht nicht festgestellt
5. „Ihr Weisen! muß man euch berichten,
Die ihr doch alles wissen wollt,
Wie die Einfältigen und Schlichten
Für klares Recht ihr Blut gezollt?
Meint ihr, daß in den heißen Gluten
Die Zeit, ein Phönix, sich erneut,
Nur um die Eier auszubruten,
Die ihr geschäftig unterstreut?
6. „Ihr Fürstenrät' und Hofmarschälle
Mit trübem Stern auf kalter Brust,
Die ihr vom Kampf um Leipzigs Wälle
Wohl gar bis heute nichts gewußt:
Vernehmt! an diesem heut'gen Tage
Hielt Gott der Herr ein groß Gericht.
Ihr aber hört nicht, was ich sage,
Ihr glaubt an Geisterstimmen nicht.
7. „Was ich gesollt, hab' ich gesungen,
Und wieder schwing' ich mich empor;
Was meinem Blick sich aufgedrungen,
Verkünd' ich dort dem sel'gen Chor:
Nicht rühmen kann ich, nicht verdammen,
Untröstlich ist's noch allerwärts,
Doch sah ich manches Auge flammen,
Und klopfen hört' ich manches Herz.“
21. Rheinlied.
Von Nikolaus Becker.
(1840.)
1. Sie sollen ihn nicht haben,
Den freien, deutschen Rhein,
Ob sie wie gier'ge Raben
Sich heiser danach schrein,
2. So lang er ruhig wallend
Sein grünes Kleid noch trägt,
So lang ein Ruder schallend
In seine Wogen schlägt!
3. Sie sollen ihn nicht haben,
Den freien, deutschen Rhein,
So lang sich Herzen laben
An seinem Feuerwein,
4. So lang in seinem Strome
Noch fest die Felsen stehn,
So lang sich hohe Dome
In seinem Spiegel sehn!
5. Sie sollen ihn nicht haben,
Den freien, deutschen Rhein,
So lang dort kühne Knaben
Um schlanke Dirnen frein,
6. So lang die Flosse hebet
Ein Fisch auf seinem Grund,
So lang ein Lied noch lebet
In seiner Sänger Mund!
7. Sie sollen ihn nicht haben,
Den freien, deutschen Rhein,
Bis seine Flut begraben
Des letzten Manns Gebein!
22. All Deutschland in Frankreich hinein!
Von Ernst Moritz Arndt.
(1841.)
1. Und brauset der Sturmwind des
Krieges heran,
Und wollen die Welschen ihn haben,
So sammle, mein Deutschland, dich stark
wie ein Mann
Und bringe die blutigen Gaben,
Und bringe das Schrecken, und trage das
Grauen
Von all deinen Bergen, aus all deinen
Gauen,
Und klinge die Losung: „Zum Rhein,
über'n Rhein!
All Deutschland in Frankreich hinein!“
2. Sie wollen's: so reiße denn, deutsche
Geduld,
Reiß' durch vom Belt bis zum Rheine;