(Seros. Glaubrecht. [III] 95
Aber rührender und ergreifender wird kaum eine sein, als die
vom Fall dieser Brüder, wie sie der ältere von ihnen, fast schon
sterbend, noch mit seinem letzten Gruß an die Eltern einem edlen
Vetter, der ihn auf dem Schlachtfelde suchte und im Lazarette
fand, mitgeteilt hat. — „Sage den Eltern," erzählte diesem
Freunde Graf Erich, „daß ich am Morgen des zweiten mit
Axel bei Champigny ins Feuer kam. Wir tiraillierten gegen
das Dorf, bis unser Leutnant den Befehl gab, auf die Stein¬
mauer loszugehen,- wir laufen vor, ich bekomme einen Schuß
durch die Brust, Axel, der neben 'mir ging, fängt mich in seinen
Armen auf, küßt mich auf die Stirn und stützt meinen Kopf
auf sein Knie — in diesem Augenblick wird Axel ins Kreuz
getroffen, lautlos stürzt er über mich — das Bewußtsein ver¬
ließ mich; so lag ich wohl zehn Stunden bei der furchtbaren
Kälte; ab und zu erwachte ich, das Feuer war furchtbar; wir
lagen beide Brüder nebeneinander, man hielt uns für tot." So
tveit der sterbende Erich. Sie waren gefunden worden. „Tragt
den Kleinen zuerst weg, er hats notiger als ich!" sprach Erich
zu den Kameraden. Für tot kam Axel im Feldspital an, und
auch Erich hauchte trotz der sorgfältigsten Pflege nach 36 Stunden
seine treue, tapfere Seele aus.
Ottv Glaubrecht (Rudolf Öser) (1807—1859).
*33. Der Jmmeker.
Fm Norden nnsers Vaterlandes dehnt sich die Heide mit
ihrem dünnen Grase und mit ihren einsamen, farblosen Blumen,
und schwerfällig und heiß streicht der Sonnnerwind darüber. Selbst
der Schmetterling hebt dort langsamer die Flügel; er hat Zeit,
wie alles um ihn her. Das Leben der Natur scheint im Traum
zu liegen. Mühsam schleppt sich der Wanderer von Hügel zu
,Hügel, er sucht Leben und findet keins. ' Doch siehe da! plötzlich
entfaltet sich ein Bild des Lebens. An einem Hügel, der sich,
mit niedrigem Tannengestrüpp bewachsen, im Halbkreis vor dir