Full text: Ein Lesebuch für die 4. und 3. Klasse höherer Mädchenschulen (Teil 3, [Schülerband])

Glaubrecht. Grimm. 
[III] 97 
seiner Pfeife, sein Auge verfolgt wie das Falkenauge das Thun 
und Treiben der ihm vertrauten Herde. Manchmal verläßt er 
plötzlich seinen Sitz und schreitet bedächtig auf einen Stock zu, 
der anfängt, unruhig zu werden. Er will sehen, was das kleine 
Volk bewegt: ob ihm die Königin gestorben, ob ein Küfer sich 
hinein verirrt, ob eine Heidemaus Miene macht, durch die Hinter¬ 
seite des Stockes sich einzubohren und nach dem Honig zu streben, 
ob ein Vogel auf dem benachbarten Strauche sitze und nach den 
müden, heimkehrenden Bienen schnappe, oder ob das Völklein sich 
teile und dem jungen Weisel sich anschließe zur Gründung einer 
neuen Kolonie. In allen ihren Nöten ist der Jmmeker der Bie¬ 
nen Vertrauter und Ratgeber,- sie fliegen ihm entgegen, sie ge¬ 
leiten ihn an die streitige Stelle, sie dulden es, daß er den Stock 
öffnet und hineinschaut in ihr verborgenes Reich, ja, sie lassen 
sichs gefallen, daß er unter sie greift und sie händeweis versetzt, 
wohin er will/ kein Stachel trifft ihn. Der Jmmeker und sein 
Völkchen kennen sich und gehören zusammen. 
Brüder Jakob und Wilhelm Grimm 
(1785—1863 und 1786—1859). 
*34. Tie kluge Else. 
Es war ein Mann, der hatte eine Tochter, die hieß die 
kluge Else. Als sie nun erwachsen war, sprach der Vater: 
„Wir wollen sie heiraten lassen!"— „Ja," sagte die Mutter, 
„wenn .nur einer käme, der sie haben wollte!" Endlich kam 
von weither einer, der hieß Hans und hielt um sie an, er machte 
aber die Bedingung, daß die kluge Else auch recht gescheit wäre. 
„O," sprach der Vater, „die hat Zwirn im Kopf," und die 
Mutter sagte: //Ach, die sieht den Wiitd auf der Gasse laufen 
und hört die Fliegen husten." — „Ja," sprach der Hans, „wenn 
sie nicht recht gescheit ist, so nehm ich sie nicht." Als sie nun 
zu Tisch saßen und gegessen hatten, sprach die Mutter: „Else, 
geh in den Keller, und hol Bier!" Da nahm die kluge Else 
Hessel, Musterprosa III. - 7
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.