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stäubet einen jeglichen, den er zum Sohne annimmt,“ war in großen
Buchstaben darunter geschrieben.
Frau Hadwig warf dem Abt einen fragenden Blick zu.
„Die Geißelkammer!“ sprach er.
Der Abt drängte, daß sie vorüber kamen. Seine Prunkgemächer
waren mit Blumen geschmückt. Frau Hadwig warf sich in den ein—
fachen Lehnstuhl, auszuruhen vom Wechsel des Erschauten. Sie hatte
in wenig Stunden viel erlebt. Es war noch eine halbe Stunde zum
Abendimbiß.
In der Küche ward unter Gerolos, des Schaffners, Leitung
eine Tätigkeit entwickelt, die nichts zu wünschen übrig ließ.
Jetzo läutete das Glöcklein, dessen Ton auch von den frömmsten
Brüdern noch keiner unwillig gehört, den Ruf zur Abendmahlzeit.
Abt Cralo geleitete die Herzogin ins Refektorium. Sieben Säulen
teilten den luftigen Saal hälftig ab, an vierzehn Tischen standen,
wie Heerscharen der streitenden Kirche, des Klosters Mitglieder,
Priester und Diakonen; sie erwiesen dem hohen Gast keine besondere
Aufmerksamkeit.
Das Amt des Vorlesers vor dem Imbiß stund in dieser Woche
bei Ekkehard, dem Pförtner. Der Herzogin zu Ehren hatte er den
vierundzwanzigsten Psalm erkoren, er trat auf und sprach einleitend:
„Herr, öffne meine Lippen, auf daß mein Mund dein Lob verkünde,“
und alle sprachen's ihm murmelnd nach, als Segen zu seiner Lesung.
Nun erhub er seine Stimme und begann den Psalm, den die
Schrift selber einen lieblichen Gesang nennt.
Die Mahlzeit begann. Der Küchenmeister, wohl wissend, wie bei
Ankunft fremder Gäste Erweiterung der schmalen Klosterkost gestattet
sei, hatte es nicht beim üblichen Mus mit Hülsenfrüchten bewenden
lassen. Auch der strenge Küchenzettel des seligen Abts Hartmuth ward
nicht eingehalten.
Wohl erschien zuerst ein dampfender Hirsebrei, auf daß, wer ge—
wissenhaft bei der Regel bleiben wollte, sich daran ersättigte; aber
Schüssel auf Schüssel folgte, bei mächtigem Hirschziemer fehlte der
Bärenschinken nicht, sogar der Biber vom obern Fischteich hatte sein
Leben lassen müssen; Fasanen, Rebhühner, Turteltauben und des Vogel—
herds kleinere Ausbeute folgten, der Fische aber eine unendliche Aus—
wahl, so daß schließlich ein jeglich Getier, watendes, fliegendes,
schwimmendes und kriechendes, auf der Klostertafel seine Vertretung fand.