I. Erzählungen.
1. Abseits.
Theodor Storni.
Die Wintersonne lag über der Heide; sie spiegelte sich in den
Fensterscheiben eines neuen, strohgedeckten Hauses, das in dieser Ein¬
samkeit wie hingestellt war auf die braune, unabsehliche Decke des Heide¬
krauts. Nur seitwärts dahinter lag noch eine mäßig große Scheuer,
und neben ihr, dem Tore des Hauses gegenüber, ragte die lange
Stange eines Brunnens in die Luft. Ein paar Schritte weiter ein
niedriger Wall aus Sand und Steinen, der sich auch nach vorn um
das Haus herumzog; und dann wieder nichts als der leere Himmel und
die braune, gleichmäßige Ebene.
Das Gehöft lag in dem nördlichsten deutschen Lande, das nach
blutigem Kampfe jetzt mehr als jemals in der Gewalt des fremden
Nachbarvolks war. Erbaut war es vor wenigen Jahren von einem
wohlhabenden Kaufmann der kleinen Seestadt, deren Turmspitze man
aus den Fenstern der Vorderstube am Horizont erblickte. — Bald
nach Beendigung des unglücklichen Krieges hatte er von mehreren Ge¬
meinden, deren Feldmark hier zusammenstieß, die nicht unbeträchtlichen
Bodenstrecken käuflich erworben.
Die Lage war für die Entstehung eines ländlichen Heimwesens
günstig; denn einen Büchsenschuß nördlich von dem jetzt dort mit der
Stirnseite gegen Abend schauenden Hause drängt sich ein mäßig breiter,
fischreicher Strom durch die Heide, abwärts einem Landsee zu, der sein
länglichrundes Becken bis fast an die Stadt erstreckt.
Neuland. VII. 3. Aufl.
1