Full text: Für die mittleren Klassen höherer Lehranstalten incl. Obersecunda (Teil 2, [Schülerband])

Bilder zur Veranschaulichung des klassischen Altertums. 
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mit denselben Waffen und Werkzeugen bekämpfen müsse, welchen der— 
selbe seine größten Erfolge verdankte, und so griff die harte Bauern— 
faust noch im vorgerückten Alter zur Feder und unternahm das kühne 
Wagnis, das altitalische Wesen in vollbewußtem Gegensatz gegen das 
Griechentum auch ütterarisch zu gestalten. 
Dieser Mann ans ganzem Holze, beschränkt, eigensinnig, ungerecht, 
wie er im harten Kampf einer ringenden Zeit oft sein mochte, zieht 
doch den Blick und das Interesse aller Spätern unwiderstehlich auf 
sich und hat ihnen, nicht durch seine echten und edlen Tugenden 
allein, sondern auch durch die furchtbare Energie seines Irrens Be— 
wunderung abgenötigt. Ünter seinem eigenen Volke wuchs die Ver— 
ehrung und Bewunderung, je mehr das römische Leben unter dem 
Einflusse der Kräfte, in deren Bekämpfung Cato seine Lebensaufgabe 
gesehen hatte, sich von demjenigen der catonischen Zeit entfernte. Die 
unheilvollen Geschicke, denen wenige Menschenalter nach seinem Tode 
das römische Reich verfiel, die Leiden und Heimsuchungen einer 
hundertjährigen Revolution, welche den Staat von Grund aus ver— 
änderte, die üppige Saat der Laster, welche aus dem von allen bösen 
Leidenschaften durchwühlten Boden emporschoß, schienen dem Manne 
recht zu geben, der als es noch Zeit schien der unheilvollen Strömung 
sich entgegengeworfen hatte; je verworrener und uͤnbefriedigender die 
Zeiten duͤrden, je haufiger die Beispiele rücsichtslofen und gewalt⸗ 
thätigen Ehrgeizes unter den Großen, eigennütziger Schwäche unter 
den Mittelmaäßigen, verächtlicher Gesinnungslosigteit unter der Menge 
wurden: desto mehr war man geneigt, jene alten Zeiten zu erheben, 
n denen noch ein einfaches, ungebrochenes Dasein möglich war, und 
den Mann zu idealisieren und als den vor andern „Weisen“ zu 
rühmen, in dem man mit Recht den vollkräftigen Ausdruc dieses 
ungebrochenen, einfachen Lebens erkennt. 
So hören wir bald Stimmen, denen der eine Cato mehr gilt, 
als hundert Sokratesse, und wo ein Redner späterer Zeit einen Ge— 
danken mit einem wirklichen oder angeblichen Worte Catos belegen 
lkann, läßt er sich die Gelegenheit nicht entgehen, da dieser Name auf 
sedes römische Ühr seinen besondern Zauber übte. Zu Ciceros Zeit gab 
S patriotische Enthusiasten, welche, außer seiner unzweifelhaften Über— 
legenheit als Bürger, Senator und Feldherr, ihn auch als Redner 
Aben die gefeiertheen Namen Griechenlands zu stellen Lust zeigten. 
Cicero selbst urteilt darüber vorsichtiger; aber auch seine Schriften 
sind voll begeisterten Lobes, und einer seiner Schriften setzte er den 
Efeierten Namen Catos als Titel vor, und läßt ihn, den wetterharten 
QLriegs— und Staatsmann in einen gemütvollen Philosophen ver— 
wandelnd, milde Greisenweisheit über die Vorzüge und Tröstungen 
des hohen Alters den Maͤnnern einer jüngeren Generation, die zu 
ihm emporschauen, verkündigen. Auch kein Späterer geht leicht ohne ein 
ehrenvolles veiwort an seinem Namen vorüber, und Horaz, dessen feiner 
Geschmack sich von der altrömischen Litteratur nur wenig angezogen 
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