Ein Gang durch Deutschlands Dichtergarten.
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64. Georg Scheurlin. geb. 1802.
208. Der Samaritan.
Gedichte. Heidelberg 1858. 11. S. 14.
Ist noch ein Rest von Lieb' in dir,
O geize nicht, und gieb ihn her,
Die reiche, menschenvolle Welt
Ist ja an Liebe gar so leer.
Auf Märkten biete sie nicht feil,
Auch zu Palästen trag' sie nicht,
Doch tritt dereinst an deinen Weg
Ein still verhärmtes Angesicht,
Dann sprich: „Bedarfst du wohl des
Ols?
Zeig deine Wunde, hier mein Krug,
Und in der Herberg pfleg' ich dein,
Wenn diese Gabe nicht genug.“
Ob Dank, ob Undank dir vergilt,
Du ziehe stillen Gangs davon;
Daß du ein innres Wort erfüllt,
Sei deinem Herzen schönster Lohn.
Und was dir noch im Kruge blieb
Von Liebe, senk' es nicht ins Meer:
Die reiche, menschenvolle Welt
Ist ja an Liebe gar so leer.
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65 Franz Graf v. Vocci. 1808- 1876.
209. Hartmann von Siebeneichen.
Festkalender von Pocci uud Görres.
München und Wien. 1. 4. Nr. 6.
Der Kaiser Barbarossa
Zog hin ins welsche Land,
Wo er statt Sieg und Ehre
Nur Leid und Unglück fand.
Da rief der Kaiser klagend:
„Nun wehe diesem Ort,
Wo fallen soll ein Kaiser
Durch feigen Meuchelmord.
Bei Susa stehet einsam
Ein abgelegnes Haus,
Es ruhte dort der Kaiser
Von seinen Nöten aus.
Gott schütz' die deutsche Krone,
Gott schütz' die Seele mein,
Und muß ich heute sterben,
So soll's in Ehren sein.
Ach wehe, Barbarossa,
Wer wies dir diesen Pfad?
Das Haus ist rings umstellet
Von Mördern und Verrat.
O Deutschland, du mein treues,
Wärst du nicht, ach, so fern,
Kein Mörder würde wagen
Zu morden deinen Herrn.“
Es sprach der Wirt voll Reue:
„Wie ist es mir so leid!
Ich wollte gern dich retten,
Doch nimmer ist es Zeit.“
Da rief ein Ritter flehend
Und kniete sich vor ihn:
„Herr Kaiser, eine Gnade,
Die werde mir verliehn.