Full text: Für die untern und mittlern Klassen (Teil 1, [Schülerband])

198 — 
für so geschmeidig hielt, schönen Frauen Kleinodien zu bringen; aber da er 
selbst keinen bessern wußte, so ging er zuletzt darauf ein. Es wurde dann 
die Zeit der Abfahrt auf den künftigen Mai festgesetzt. Vorerst zogen sie 
wieder heim, während Hettel die nötigen Vorbereitungen für die Fahrt 
traf. Er ließ Zimmerleute kommen, welche Schiffe bauen mußten, so stark 
und prächtig als nur möglich. Die Wände befestigten sie an den Rippen 
mit silbernen Nägeln, setzten dann hohe und gute Mastbäume ein, um— 
wanden die Ruder mit Gold, daß sie leuchteten wie rote Glut, und fertigten 
Segel aus der schönsten Seide. Alles aber geschah unter des Königs Augen, 
der zu schneller Arbeit antrieb und nicht litt, daß jemand müßig war. Als 
die Helden zur bestimmten Zeit zu Hettel kamen, sanden sie zwei kleinere 
Schiffe und zwei Lastschiffe auf der Flut bereit liegen und außerdem noch 
ein großes Schiff aus Cedernholz. Nachdem alsdann Rosse, Speisen und 
Gewänder auf dieselben gebracht, in dem untern Raume hundert bewaffnete 
Männer für den Fall der Not und Gefahr versteckt waren, und Frute die 
Aufsicht über die Schatzkammer, in der Gold, Gesteine und andere Klein— 
odien lagen, erhalten hatte, segelten sie unter Hettels Segen, dreitausend 
Helden an der Zahl, von dannen. Die Fahrt ging gut von statten. Nach 
sechsunddreißig Tagen gelangten sie nach Irland, wo ihre Ankunft sofort dem 
in Balion wohnenden wilden Hagen gemeldet wurde. Als sie gelandet 
waren, schlug Frute am Strande seinen Kramladen auf und bot seine Waren 
feil. Von allen Seiten eilten die Bürger herbei, an ihrer Spitze der 
Richter, der sich nach ihrer Heimat erkundigte und sie zu Hagen brachte. 
Bis zu diesem war bereits der Ruf von dem Reichtume der Ankömmlinge 
gedrungen. Dadurch freundlich gegen sie gestimmt, entbot er ihnen sein 
Geleite und seinen Frieden, und da sie ihm nun gar Kleinodien von be— 
deutendem Werte: Seidenstoffe, schön gesattelte Pferde, künstlich gearbeitete 
Waffen und anderes dergleichen schenkten, gewannen sie seine Gunst völlig. 
Er wies ihnen in der Stadt Herberge an, befahl den Bürgern, ihnen alle 
möglichen Ehren zu erweisen, ja er lud sie sogar an seinen Hof, um mit 
ihm zu speisen. In prächtigen Gewändern erschienen sie und wurden ehr— 
erbietig empfangen. Nach der Mahlzeit wurden sie zur Königin beschieden, 
die sie kennen zu lernen wünschte. Da saß dann der alte Wate, der alte 
breitbärtige, riesige Held, in dem Frauengemache, das Haar mit bunten 
Borten umwunden, und da er gar zu ernst drein schaute, und die Frauen 
ihn fragten, ob ihm dort nicht heimlich sei, sagte er ihnen ins Gesicht, in 
der heißesten Schlacht sei er lieber. Trotzdem gewann er sowohl als seine 
Genossen auch die Gunst der Königin in so hohem Grade, daß diese sie 
hat, doch öfter zu Hofe zu kommen. Als sie bei wiederholtem Besuche die 
Leute des Königs Waffenspiele treiben sahen, thaten sie darüber so ver— 
wundert, daß Hagen fragte, ob dergleichen nicht auch in ihrem Heimats⸗ 
lande zu finden sei. Wate sagte spöttisch lächelnd, er habe es nie gesehen, 
wünschte es aber wohl zu lernen. Da ließ der König seinen Waffenmeister 
holen, damit dieser Waten das Fechten lehrte. Doch bald wurde dem 
Meister angst vor seinem Schüler; denn dieser deckte sich wie ein geübter 
Kämpfer, und der Fechtmeister mußte wie ein Leopard entspringen vor seinen 
Schwertschlägen, unter denen die Rüstung erklang, und die Funken sprühten.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.