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in den Künsten der Musen. Darum stand neben der Musik die Gymnastik,
um von Geschlecht zu Geschlecht eine an Leib und Seele gesunde Jugend
zu erziehen, und deshalb wurde überall die von den Vätern überlieferte
Sitte gymnastischer Üübungen vom Staate geordnet und gefördert. Offent⸗
liche Gymnasien mit großen, sonnigen Übungsplätzen, von Hallen und
Baumreihen eingeschlossen, meistens vor den Thoren in ländlicher Umgebung
angelegt, durften in keiner hellenischen Stadt fehlen. Wer nach Ansehen
und Einfluß unter seinen Mitbürgern strebte, mußte bis zur Vollendung
männlicher Reife den größten Teil seiner Zeit in den Gymnasien zugebracht
haben, und in manchen Städten war es ausdrücklich Gesetz, daß niemand
in die Bürgerschaft aufgenommen werden dürfe, der nicht die ganze Reihe
gymnastischer Ubungen vollendet hätte. Den Eifer für diese Übungen erhöhte
der Ehrgeiz. Die Gymnasien boten den Knaben und Jünglingen tägliche
Gelegenheit, die wachsenden Kräfte an einander zu messen; der Wetteifer
steigerte sich, wenn bei festlichen Anlässen das Volk sich versammelte, den
Wetttämpfen männlicher Tüchtigkeit und Jugendkraft zuzuschauen. Wohl
gab es keine Auszeichnung, welche so mühselige Ausdauer vieler Jahre, so
viel Aufwand an Kraft und Zeit, so viel Entbehrung und Schmerzen
forderte. Aber die Hellenen haben nie die Freude des Lebens in träger
Behaglichkeit gesucht; sie fühlten lebendig, daß eine freie, alle Muskeln
anspannende Bewegung des Körpers in Luft und Sonnenlicht jeden ge—
sunden Menschen freudig belebt und mit innerer Heiterkeit erfüllt. Darum
waren die Festspiele für die Hellenen die höchste Lust des Lebens; sie konnten
sich auch die Inseln der Seligen nicht ohne Ringplätze denken, und als
einst die Zehntausend nach unsäglichen Mühseligkeiten aus dem Innern Asiens
endlich wieder an das Gestade des Meeres gelangt waren, nach dem sich
ihr griechisches Herz gesehnt hatte, da war das ersle, was sie zum Danke
gegen die Götter und zur Erquickung ihrer ermatteten Seelen vornahmen,
daß sie vor den Thoren von Trapezunt Kampfspiele anstellten; sie waren
wieder Griechen auf griechischem Boden, und alles Ungemach war vergessen.
Es gab keine größeren Götterfeste ohne Festspiele; aber die olympischen
übertrafen nach Pindars Worten alle andern so, wie das Quellwasser die
Schätze des Erdbodens und wie das Gold die Güter des Reichtums.
Wo der AMpheios aus den engen Felsthälern Arkadiens in das
niedrige Küstenland von Elis eintritt, wird er von waldreichen Höhen ein⸗
gefaßt, zwischen denen er in breiten, vielgewundenen Strömungen hinfließt.
Das nördliche Ufer nannten die Alten Olympos, ein Name, mit dem die
ältesten Einwohner die heiligen Gipfel des Landes bezeichneten. Eingeborene
Pelasger haben hier gewohnt und ihren Zeus verehrt. Die Sage nennt
einen alten König Oinomaos und Pisa als die Hauptstadt seines Reiches.
Gleichzeitig mit der Wanderung der Dorier, welche achtzig Jahre nach dem
Falle Trojas in den Peloponnes eindrangen, kamen ätolische Stämme über
den Meerbusen von Korinth, und während jene im Süden und Osten auf
dem Boden von Agamemnons Herrschaft neue Staaten einrichteten, besetzten
diese das westliche Uferland der Halbinsel und gründeten unter ihrem
Führer Oxylos den Staat Elis. Da aber die Eleer sich bald immer
enger an die dorischen Spartaner anschlossen, und diese in sich den Beruf