Full text: Für die untern und mittlern Klassen (Teil 1, [Schülerband])

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so weit dies bis dahin noch nicht der Fall gewesen war. Ebenso trug er 
Sorge für die Aufzeichnung und Erhaltung der uralten deutschen Lieder, 
welche die Thaten der frühern Könige und ihre Kämpfe besingen. Auch 
begann er eine Grammatik seiner Muttersprache und legte den Monaten 
Bezeichnungen aus seiner Sprache bei, während bei den Franken bis dahin 
teils römische, teils barbarische Namen dafür im Gebrauche gewesen waren. 
In derselben Weise schuf er auch zwölf eigene Namen der Winde, während 
früher deren nicht mehr als vier bekannt waren. Von den Monaten 
nannte er den Januar Wintermonat, den Februar Hornung, den März 
Lenzmond, den April Ostermond, den Mai Wonnemond, den Juni Brach— 
mond, den Juli Heumond, den August Erntemond, den September Laub— 
mond, den Oktober Weinmond, den November Herbstmond, den Dezember 
Heiligenmond; von den Winden den Subsolanus Ostwind, den Eurus 
Ostsüd, den Euroauster Südost, den Auster Süd, den Austroafrikus Süd— 
west, den Afrikus Westsüd, den Zephyr West, den Korus Westnord, den 
Circius Nordwest, den Septemtrio Nord, den Aquilo Nordost, den Vul— 
turnus Ostnord. 
In der letzten Zeit seines Lebens, wo ihn Krankheit und Alter bereits 
schwer drückten, berief er seinen Sohn Ludwig, König von Aquitanien, der 
ihm allein von allen Söhnen seiner Gemahlin Hildegard übrig geblieben 
war, zu sich und versammelte den ganzen Adel des Franken-Reichs feier— 
lichst um sich. Mit dessen Einwilligung machte er ihn dann zum Mitregenten 
und Mitkaiser, bestimmte ihn zum Erben des Reichs, setzte ihm zum Zeichen 
seiner Bestimmung die Krone auf das Haupt und ließ ihn als Imperator 
und Augustus begrüßen. Alle Versammelten äußerten laut und freudig 
ihre Beistimmung; denn nach ihrer Meinung war dieser Entschluß ihm 
von obenher eingegeben; auch gewann die Majestät seines Namens sehr 
durch diesen Vorgang, und alle auswärtigen Nationen gerieten darüber in 
nicht geringen Schreck. Dann entsandte er seinen Sohn nach Aquitanien 
und begab sich selbst nach seiner altgewohnten Sitte trotz seines hohen 
Alters in die Nähe der Königsburg Aachen auf die Jagd, brachte damit 
den übrigen Teil des Herbstes zu und kehrte gegen Anfang des Novembers 
nach Aachen zurück. Während der Winterszeit im Monat Januar wurde 
er durch einen heftigen Fieberanfall an das Bett gefesselt. Wie gewöhnlich 
bei solchen Fieberanfällen legte er sich die strengste Enthaltsamkeit auf, da 
er glaubte, so die Krankheit bezwingen oder lindern zu können; aber zum 
Fieber trat noch Schmerz in der Seite; er setzte jedoch seine Speiseent— 
ziehung immer noch fort und gab dem Körper keine andere Nahrung als 
etwas Getränke. Indessen am siebenten Tage, nachdem er sich gelegt hatte, 
starb er nach Empfang der heiligen Kommunion, im 72. Jahre seines 
Alters und nach Antritt seiner Regierung im 47., den 28. Januar 814 
um 9 Uhr früh. 
164. Wahl und Krönung Ottos J. 
(Wilhelm Giesebrecht.) 
Als König Heinrich nicht mehr war, versammelten sich die Franken 
und Sachsen zur Wahl des neuen Königs. Denn waren früher die Franken
	        
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