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5. Auch was der Hausherr denkt und
fleht.
Malt er ans Fenster an,
Daß jeder, der vorübergeht,
Es deutlich sehen kann.
6. Und freut der Herr im Hause sich
Und nimmt der Schmerz ihn ein:
So zeigen öfters Perlen sich
In beiden Fensterlein.
7. Ist schönes Wetter, gute Zeit,
So sind sie hell und lieb;
Doch wenn es stürmet, fröstelt, schneit,
Dann werden sie gar trüb.
8. Und geht des Hauses Herr zur Ruh',
Nicht braucht er dann ein Licht;
Da schlägt der Tod die Läden zu,
Und ach! — das Fenster bricht.
385. Das Auge
(A. Cosmar.)
1. Das Auge gleichet dem spiegelnden
Meer;
Kaum klar, macht ein Sturmwind es
trüber,
Und brausen die Stürme wohl allzusehr,
Dann flutet das Wasser auch drüber.
2. Das Auge gleichet der dunkeln Nacht;
Was hält es nicht alles verborgen!
Und hinter der strahlenden Sternenpracht
Lacht freundlich ein heiterer Morgen.
3. Das Auge gleichet dem sonnigen
Strahl,
Den Gott zur Erquickung uns sendet;
Doch hat uns auch oftmals mit heißer
Qual
Sein strahlender Glanz schon geblendet.
4. Das Auge gleichet dem himmlischen
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Das über uns alle gebreitet;
Und blickt man hinauf in die Sternenwelt,
Gleich fühlt sich das Herz auch erweitet.
5. Das Auge gleichet dem spiegelnden
Glas,
Vom Hauche des Grams leicht erblindet;
Klar zeigt es uns stets, wie Liebe und
Haß,
Wie Freude und Leid sich verbindet.
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6. Das Auge gleichet dem edeln Metall,
Mit dem wir erfreun und belohnen;
Sein Glanz und Gepräge gilt überall,
Wo liebende Herzen nur wohnen.
7. Das Auge gleichet dem himmlischen
Licht,
Für alle erquickend und labend;
Die Sonne im menschlichen Angesicht
Geht unter an jeglichem Abend.
8. Das Auge gleichet dem quellenden
Born,
An dem sich so viele erquicken;
Das Auge gleicht auch dem spitzigen Dorn,
Verwundend mit stechenden Blicken.
9. Das Auge gleichet dem reinsten
Krystall,
So klar wie des Silberstroms Wellen;
Zuweilen auch gleicht es dem Wasserfall,
Wenn Thränen des Grams ihm entauellen.
10. Das Auge gleicht endlich der
Bühnenwelt;
Verändrung, wohin ich es wende,
Und wenn einst der dunkle Vorhang fällt,
Dann ist auch das Schauspiel zu Ende.
386. Die Perle.
(Mayer.)
1. Kennst du die Perle, die ich meine?
Die Perle, die lein Gold bezahlt?
Die schöner als im schönsten Scheine
Der Glanz der Fürstenkrone strahlt,
Paläste schmückt mit seltner Pracht,
Doch reiner noch in Hütten lacht?
Kennst du die Perle? Wahrst du sie?
O glücklich, wem sie Gott verlieh!
2. Nicht aus des Meeres tiefem Grunde
Zieht sie des Tauchers kühne Fahrt;
Nicht in der Muschel engem Munde
Ruht sie, der Habsucht aufbewahrt;
Nein, jeder kennt ihr schönes Haus,
Und ungesucht dringt sie heraus.
Kennst du die Thräne? Kennst du sie?
O glücklich, wem sie Gott verlieh!
3. Sahst du, wie sie in Kindesblicken
Den Eltern Dank und Liebe strahlt?
Wie dort, im kindlichen Entzücken.
Der Teuern Wohl sich perlend malt?
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