Full text: Vaterländisches Lesebuch für die obern Klassen in den Volksschulen Bayerns

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145. Aus dem Walde. 
ahorn oder Masholder. Das Blatt ist langgestielt und 
hat drei tiefgespaltene und unten zwei seichtgespaltene Lappen, 
welche bei dem Bergahorn stumpf sägezähnig, bei dem Spitz¬ 
ahorn in Zipfel ausgeschnitten, bei dem viel kleineren Feld¬ 
ahornblatte aber manchmal seicht gelappt sind. Die Blüten 
bilden gelbgrüne Trauben; die Früchte sind Doppelflügel¬ 
früchte, d. h. zwei große, zungenförmige, breit auseinander 
gespreizte Flügel sind an ihrem untern Teile, in dem sie 
den Samen enthalten, mittelst eines Fadens mit einander 
verbunden. Zur Zeit der Samenreife, die im September 
erfolgt, trennen sich die Früchte und fliegen ab. 
Der gemeine Ahorn ist ein echtes Kind des Bergwaldes. 
Seiner kräftigen Schönheit wegen pflanzt ihn der Berg¬ 
bewohner gern um seine Hütten und Ställe; seiner Mächtig¬ 
keit wegen schont er ihn an Halden, wo Lawinen einbrechen 
könnten. Seine Brüder, der Spitzahorn und der Masholder 
sind mehr im Tieflande heimisch. 
145. Aus dem Walde. 
Mit dem alten Förster heut 
Bin ich durch den Wald gegangen, 
Während hell im Festgeläut 
Aus dem Dorf die Glocken klangen. 
Golden floß inS Laub der Tag, 
Vöglein sangen Gottes Ehre, 
Fast als ob's der ganze Hag 
Wüßte, daß es Sonntag wäre. 
Und wir kamen ins Revier, 
Wo, umrauscht von alten Bäumen, 
Junge Stämmlein, sonder Zier, 
Sproßten auf besonnten Räumen. 
Feierlich der Alte sprach: 
„Siehst du über unsern Wegen 
Hochgewölbt das grüne Dach? 
Das ist unsrer Ahnen Segen." 
„Denn es gilt ein ewig Recht, 
Wo die hohen Wipfel rauschen; 
Von Geschlechte zu Geschlecht 
Geht im Wald ein heilig Tauschen." 
„Was uns not ist, uns zum Heil, 
Ward gegründet von den Vätern; 
Aber das ist unser Teil, 
Daß wir gründen für die Spätern." 
„Drum im Forst auf meinem Stand 
Ist mir's oft, als böt' ich linde 
Meinem Ahnherrn diese Hand, 
Jene meinem Kindeskinde " 
„Und sobald ich Pflanzen will, 
Pocht das Herz mir, daß ich's merke, 
Und ein frommes Sprüchlein still 
Muß ich beten zu dem Werke: 
„Schütz euch Gott, ihrReiserschwank! 
Mögen unter euren Kronen, 
Rauscht ihr einst dem Wald entlang. 
Gottesfurcht und Freiheit wohnen!'' 
„Und ihr Enkel, still erfreut, 
Mögt ihr dann mein Segnen ahnen, 
Wie's mit frommem Dank mich heut 
An die Väter will gemahnen." 
Wie verstummend im Gebet 
Schwieg der Mann, der tiefergraute, 
Klaren Auges ein Prophet, 
Welcher vorwärts,rückwärts schaute. 
Segnend auf die Stämmlein rings 
Sah ich dann die Händ' ihn breiten; 
Aber in den Wipfeln ging's 
Wie ein Gruß aus alten Zeiten
	        
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